Castor-Transport:Polizeigewerkschaft rügt politische "Irrfahrt"

Die Castoren sind angekommen, der Streit um den Atommüll-Transport geht weiter: Die Polizeigewerkschaften üben scharfe Kritik an der Politik. Und Linken-Fraktionschef Gysi sieht Kanzlerin Merkel am Ende.

Im Wendland kehrt Ruhe ein - der Streit geht anderswo weiter. Nachdem die Castor-Container ihre 92-stündige Reise ins Atommüll-Zwischenlager Gorleben beendet haben, ziehen Politik und Polizei eine Bilanz des Transports. Sie fällt durchwachsen aus.

Nicht nur die Debatte um die gewaltigen Kosten des Einsatzes von mindestens 25 Millionen Euro dürfte eine hohe Halbwertszeit haben. Auch die Belastung für die Polizeibeamten steht im Fokus. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die Einsatzkräfte als Sündenböcke einer falschen Politik - und hat das deutlich geäußert.

"Fatale Irrfahrten"

Als "Fanal fataler politischer Irrfahrten" brandmarkt der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg den Castor-Transport. "Es war ein großer politischer Fehler, den mühsam errungenen Atomkonsens aufzukündigen. Und es ist ein weiterer politischer Fehler, die Polizei über Jahre hinweg immer weiter personell zu schwächen. Ich fordere die Bundesregierung und die Länder auf, diese fatalen Irrfahrten zu korrigieren."

Die Polizei sieht sich laut Freiberg immer mehr in die Rolle des "Erfüllungsgehilfen politischen Machterhalts" gedrängt. Die "intransparente, widersprüchliche und einseitig gönnerhaft erscheinende Politik der Regierung" treibe die Bürger "zu Recht" auf die Straße. Den Zorn und die Enttäuschung über solches Handeln lüden die Demonstranten bei der Polizei ab, "die in einer unfreiwilligen wie undankbaren Puffer-Position und durch massive Einsatz-Überlastung zerrieben wird".

Unterstützung bekommt Freiberg vom niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU). "Die Polizisten sind bis an die Grenzen ihrer Belastung gekommen", sagte Schünemann in Berlin.

Wendt fordert Absage aller Bundesligaspiele

Und auch der Vorsitzende der kleineren der beiden Polizeigewerkschaften, Rainer Wendt, hat eine Belastung der Beamten festgestellt - und fordert prompt die Absage aller Fußballbundesligaspiele am kommenden Wochenende. Wendt sitzt der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) vor, die 80.000 Mitglieder hat. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat 170.000 Mitglieder.

Nach dem kräftezehrenden Einsatz beim Castor-Transport in Norddeutschland seien die Reserven bei den Einheiten der Bereitschaftspolizei aufgebraucht, mahnte Wendt. "Ich finde es eine Frechheit, dass am Wochenende Bundesligaspiele stattfinden", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Die Beamten bräuchten "dringend eine Atempause", mahnte der nie um einen Vorschlag verlegene Gewerkschaftsvorsitzende.

Während die Polizeigewerkschaften Kurskorrekturen für den Castor-Transport im kommenden Jahr fordern, erhebt die Opposition Zweifel daran, dass die Regierung 2011 noch im Amt ist. Der Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hält die Proteste im Wendland für ein Zeichen - dafür, dass Angela Merkel als Kanzlerin am Ende ist.

Gysi sieht Kanzlerschaft Merkels am Ende

Die Demonstrationen hätten "deutlich und eindrucksvoll" bewiesen, dass die Atomstrategie der Regierung gescheitert sei, sagte Gysi in Berlin. Mit der Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke habe Kanzlerin Merkel "das Ende ihrer Kanzlerschaft eingeläutet". Sie werde allerhöchstens noch die laufende Legislaturperiode "durchhalten", orakelte Gysi. Die Demonstranten hätten eine Mehrheitsmeinung der Bevölkerung zum Ausdruck gebracht. Ihnen gebühre der "Dank des ganzen Landes", auch weil sie einen Beitrag dazu leisteten, die Demokratie zu retten.

Um den Castor-Transport vor den Demonstranten zu schützen, hatten knapp 20.000 Polizisten die strahlende Fracht auf dem Weg ins Zwischenlager Gorleben geschützt. Die Einsatzleitung der Polizei in Lüchow teilte mit, bei den viertägigen Castor-Protesten seien bundesweit 11.836 Beamte der Länderpolizeien und 8.156 Bundespolizisten eingesetzt worden.

131 Polizisten seien dabei verletzt worden, davon 78 durch Castor-Gegner. So hätten etwa Würfe mit Steinen oder Flaschen Verletzungen zur Folge gehabt. Während der Protestaktionen nahm die Polizei nach eigenen Angaben 1316 Atomkraftgegner in Gewahrsam und erteilte 306 Platzverweise. Außerdem stellte sie 117 Traktoren von protestierenden Bauern sicher.

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