Castor-Transport nach Gorleben:Französische Atomkraftgegner legen sich mit Polizei an

Der Castor-Transport ist in Frankreich noch nicht einmal in Richtung Gorleben losgerollt, schon kommt es zu ersten Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Sicherheitskräfte versuchen, französische Atomkraftgegner mit Tränengas von den Gleisen fernzuhalten.

An diesem Mittwoch soll der letzte Castor-Transport nach Gorleben rollen. Doch nur wenige Stunden vor dem Start ist es in Valognes in Frankreich zu ersten Zusammenstößen von Demonstranten und der Polizei gekommen. Atomkraftgegner hielten kurzfristig Gleise besetzt und beschädigten diese offenbar auch. Trotz eines erheblichen Aufgebots an Sicherheitskräften versuchten sie nach eigenen Angaben an mehreren Stellen, Steine aus dem Gleiskörper zu entfernen und die Schienen zu verschieben. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.

Castor-Transport

Französische Polizisten setzen Tränengas gegen Atomkraftgegner ein. Die Demonstranten wollen die Gleise blockieren, um den Castortransport zu stoppen.

(Foto: dapd)

Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas und nahm mindestens fünf Demonstranten fest. Das berichtete der TV-Nachrichtensender BFM unter Berufung auf die Präfektur. Auch über einem ihrer Protestlager nahe Valognes sei aus einem Hubschrauber Tränengas versprüht worden, berichteten die Atomkraftgegner.

Der Protest wird organisiert von einem Zusammenschluss französischer Atomkraftgegner namens "Valognes Stop Castor", die auch vom Netzwerk Atomausstieg ("Sortir du nucléair") unterstützt wird. Unklar blieb zunächst, ob der Zug wie geplant Mittwochnachmittag abfahren kann.

Augenzeugen berichteten von einem wahren Katz- und Maus-Spiel, bei dem die Gegner Lücken in den Reihen aufmarschierten Sicherheitskräfte suchten. Die Behörden hatten auf beiden Seiten der Bahngleise eine Art Sperrzone eingerichtet. Auch im traditionell atomkraftfreundlichen Frankreich bildet sich eine Bewegung der Kernkraftgegner. In den vergangenen Tagen trafen sich mehrere hundert Demonstranten nahe der nordfranzösischen Kleinstadt Valognes, um den Transport zu blockieren.

Die französischen Behörden haben entlang einer 70 Kilometer langen Strecke, über die der Castor-Zug fahren soll, alle Demonstrationen verboten. Teilweise wurden die Gleise und Zufahrtsstraßen mit Eisenstangen abgeriegelt. Den Atomkraftgegnern wurde untersagt, näher als 500 Meter an die Gleise heranzugehen. Ein Hubschrauber kreiste über dem Verladebahnhof Valognes nahe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague. Dutzende von Mannschaftswagen der Einsatzpolizei CRS waren an der Bahnstrecke im Einsatz.

Im Städtchen Valognes, das rund 35 Kilometer von La Hague entfernt liegt, blieben wegen der Proteste drei Schulen geschlossen. Die französische Staatsbahn SNCF stellte den Zugverkehr auf der Strecke ein, die der Transport entlangfahren soll. Der Zug mit den elf Castor-Behältern soll nach Angaben der Atomkraftgegner gegen 14.30 Uhr starten. Das Netzwerk für den Atomausstieg und andere Gegner riefen zu Blockaden und weiteren Störungen auf.

Es geht um den letzten Transport aus La Hague nach Gorleben. Er wird nach 1200 Kilometern Wegstrecke am Wochenende im Wendland erwartet. Die Route des Transports ist noch unklar. Drei Varianten für den Grenzübertritt sind möglich: über Kehl, Berg oder Saarbrücken. Welche Strecke der Zug nimmt, wird offiziell nicht mitgeteilt. Entlang der Strecke planen Anti-Atomkraft-Initiativen Proteste.

Im Vorjahr war es den Atomkraftgegnern immer wieder gelungen, den Zug zu stoppen oder Nachschubwege für die Einsatzkräfte zu blockieren. Mit den Castoren wird deutscher Atommüll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben gebracht.

Bereit zum Widerstand

Mitarbeitern der Umweltorganisation Greenpeace, die den Transport begleiten und dabei mit Blick auf die Radioaktivität der Behälter Thermographie-Aufnahmen machen wollen, wurde eine Genehmigung von der Polizei verwehrt. "Wir werden daher die Aufnahmen an einem anderen Ort in Richtung der deutschen Grenze machen", erklärte Greenpeace-Experte Andree Böhling.

Demonstration gegen Castor-Transport

Atomkraftgegner haben in Berlin einen symbolischen Castor-Transport durchgeführt - und haben am Ende schwarz-gelbe Fässer vor dem Umweltministerium abgeladen.

(Foto: dapd)

Auch in Deutschland bereiten sich Atomkraftgegner vor. Schwerpunkt der Aktionen im Südwesten soll wie in den Vorjahren der Grenzübergang Berg sein, teilten die Initiativen mit. Der Zug soll mit einer "Südblockade" aufgehalten oder zu einem Umweg gezwungen werden.

In Berlin veranstalteten Atomkraftgegner einen symbolischen Castor-Transport. Dabei zogen etwa 100 Demonstranten, teils als "Strahlenschutzexperten" verkleidet, mit Protesttransparenten vom Brandenburger Tor vor das Bundesumweltministerium. Dort luden sie schwarz-gelbe Müllfässer ab und stellten eine zehn Meter hohe Leuchtskulptur in "X"-Form auf, dem Symbol des Widerstandes bei den Proteste im Wendland. Das politische Netzwerk Campact sowie die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg hatten zu der Aktion aufgerufen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) rief zu einem friedlichen und besonnenen Verhalten auf. "Es gibt ein Recht auf Demonstrationsfreiheit, es gibt aber kein Recht auf Gewalt", sagte er. "Gewalttätigkeiten sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung". Er forderte die Gorleben-Kritiker auf, sich konstruktiv an der Diskussion über den Neustart bei der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll zu beteiligen. "Wer jahrelang einen grundlegenden Neuanfang bei der Suche nach einem Endlager fordert, der sollte die einmalige Chance, die es jetzt gibt, nutzen, den Kampf der vergangenen Jahrzehnte zu begraben und das Thema im Konsens zu lösen", sagte der CDU-Politiker.

Nach einer Konzentration auf Gorleben in den vergangenen 35 Jahren sollen künftig auch andere Optionen geprüft werden. Die Gegner halten den Salzstock an der früheren DDR-Grenze im niedersächsischen Wendland für zu unsicher, um hier den Müll für immer in rund 800 Metern Tiefe zu lagern. Daher gibt es seit Jahren Proteste gegen Castor-Transporte in das nahe des Salzstocks gelegene oberirdische Zwischenlager, wo der Müll bis zur Endlagerung abkühlen soll.

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