Calais:Video zeigt Gewalt gegen Flüchtlinge in Frankreich

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  • Ein Video einer französischen NGO soll Misshandlungen von Flüchtlingen durch Polizisten zeigen.
  • Die Flüchtlinge waren bei dem Versuch entdeckt worden, in Lkw versteckt den Tunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Frankreich und England zu passieren.
  • Staatsanwaltschaft und Polizei haben Ermittlungen gegen die Beamten eingeleitet. Die Polizeigewerkschaft warnt vor einer Vorverurteilung der Beamten.

Schläge, Tritte, Tränengas

Sie werden geschlagen und getreten, sie werden über Leitplanken geworfen und mit Tränengas auseinandergetrieben: Ein Video zeigt angeblich, wie französische Polizisten Flüchtlinge misshandeln, die illegal über Calais nach England gelangen wollten. Die verwackelten Bilder sind aus großer Entfernung aufgenommen und doch deutlich genug: Gegen die Beamten ermitteln jetzt Staatsanwaltschaft und Polizei.

Gedreht und veröffentlicht hat die Aufnahmen die französische Flüchtlingsorganisation Calais Migrant Solidarity (CMS). Den Aktivisten gehe es darum, zitiert Le Monde, "das Alltägliche der Polizeigewalt" gegenüber Flüchtlingen zu zeigen. Das Video zeigt Szenen an einer Zufahrtsstraße zum Tunnel unter dem Ärmelkanal, der Calais auf der französischen und Dover auf der englischen Seite verbindet. Die Flüchtlinge sollen bei dem Versuch entdeckt worden sein, den Tunnel in Lkw versteckt zu passieren.

Schnelle Untersuchung angekündigt

"Die genauen Umstände dieser Handlungen werden schnell untersucht", kündigte die Generaldirektion der französischen Polizei an. Jeder Verstoß gegen die Verhaltensregeln der Polizei werde geahndet. Der Staatsanwalt von Boulogne-sur-Mer, Jean-Pierre Valensi, sagte, er habe unabhängig von der Generalinspektion der Polizei eine Untersuchung der Vorfälle eingeleitet. Wenn sich der Verdacht einer unangemessenen Gewaltanwendung von Polizisten bestätige, seien dies strafrechtliche Verstöße.

Die Organisation SOS Racisme äußerte sich "schockiert" über das Video. Sie forderte das Innenministerium auf, "die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit diese ungerechten Übergriffe aufhören". Die Polizeigewerkschaft Unsa-Police warnte hingegen vor einer Vorverurteilung. Gewerkschaftsvertreter Ludovic Hochart erklärte, in dem Video seien die Szenen aus dem Zusammenhang gerissen, so dass unklar sei, ob Angriffe der Migranten vorausgegangen seien. Wenn es sich allerdings um willkürliche Gewaltakte der Beamten handele, müssten diese bestraft werden.

Die Polizisten fühlen sich geschützt, sagt ein CMS-Sprecher

Nach Angaben von CMS entstanden die Aufnahmen am 5. Mai, einen Tag nach einem Besuch des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve in Calais. Zwischen die Bilder sind Aussagen Cazeneuves geschnitten, zum Beispiel "Calais ist für mich das Versuchslabor dafür, wie die Republik das Beste hervorbringen kann" oder "Unser Handeln trägt Früchte".

Es werde deutlich, dass die Polizisten gewaltsam gegen die Migranten vorgingen, "weil sie sich geschützt fühlen", sagte ein CMS-Sprecher. Die Polizei, heißt es am Ende des Videos, versuche Videoaufnahmen zu verhindern, indem sie die Aktivisten verfolge und ihre Kameras zerstöre. Die meisten Gewalttaten geschehen laut CMS im Verborgenen, zum Beispiel nachts oder im Inneren der LKW.

Die französische Polizei ist in Calais im Dauereinsatz gegen illegale Einwanderung. Allein in der Nacht von Montag auf Dienstag versuchten nach Angaben der örtlichen Behörden 300 bis 400 Flüchtlinge, über den Kanaltunnel von Frankreich nach England zu kommen.

© SZ.de/AFP/pamu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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