Mosambik:Am Kap der Dschihadisten

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Hilfsorganisationen versuchen, die größte Not in der Provinz Cabo Delgado in Mosambik zu lindern. (Foto: MSF/AP)

Aufständische im Norden von Mosambik haben die Stadt Palma erobert und bedrohen ausländische Investitionen in Milliardenhöhe. Was der Konflikt mit der Terrorgruppe Islamischer Staat zu tun hat und wie er sich wieder entschärfen ließe.

Von Arne Perras, München

Mosambiks Reichtum liegt draußen vor der Küste. Vor Cabo Delgado, ganz im Norden des Landes, entdeckten Geologen vor einem Jahrzehnt die größten Gasvorkommen Afrikas. Internationale Unternehmen unter Führung des Konzerns Total haben mit Maputo ein Abkommen geschlossen, den Rohstoff auszubeuten, dafür sind Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Dollar vorgesehen. Eine höhere Summe ist noch nie für ein einzelnes Projekt in Afrika veranschlagt worden. Aber der Reichtum, der in den Tiefen des Ozeans lagert, ist bitter umkämpft. Und die Gewalt in der Provinz hat in diesen Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Stadt Palma, ganz in der Nähe des geplanten Flüssiggas-Terminals gelegen, ist verwüstet. Augenzeugen berichten von grauenvollen Szenen auf den Straßen. Sie haben enthauptete Menschen gesehen, Tausende Bewohner und auch ausländische Arbeiter mussten fliehen, viele versuchen, einen Platz auf einem der Boote zu bekommen, die übers Meer nach Süden in Sicherheit fahren, alle wollen fort aus Palma, das sich in eine Todeszone verwandelt hat.

Mosambik
:Extremisten attackieren Gasprojekt

Bei einem Überall islamistischer Milizen auf die mosambikanische Stadt Palma sterben Dutzende Menschen. Der französische Konzern Total bringt 1000 Mitarbeiter in Sicherheit.

Eigentlich sollte Cabo Delgado den Aufschwung Mosambiks symbolisieren, aber nun sieht es so aus, als würde das Kap zum Mahnmal eines vertrackten Konflikts, den der Staat Mosambik und die großen Konzerne schwer unterschätzt haben.

Gaukelt der IS nur eine Führungsrolle vor?

Aufständische Kämpfer haben die Stadt Palma in der Provinz Cabo Delgado überrannt. Und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat sich zu dem Angriff bekannt. Der IS behauptet in seiner Propaganda, dass er Palma kontrolliere, der Ort soll sich in eine Geisterstadt verwandelt haben. Ob der IS tatsächlich die treibende Kraft hinter der Gewalt ist oder ob die Terrorgruppe aus Nahost nur eine Führungsrolle vorgaukelt, bleibt ungewiss. Aber sowohl die mosambikanischen Aufständischen als auch der IS profitieren davon, sich als Verbündete darzustellen. "Das erzeugt Aufmerksamkeit und stärkt den Ruf beider Gruppen", sagt Alex Vines, Afrika-Experte des Instituts Chatham House in London. Auch bei Boko Haram in Nigeria sei diese Allianz zu beobachten.

Vines hat aber keinen Zweifel daran, dass die Aufständischen in Mosambik "eine lokale Gruppe sind, deren Kampf durch lokale Missstände getrieben ist". 2017 haben sie ihren Aufstand begonnen, entfacht wurde er offenbar durch einen explosiven Mix aus Armut, Gefühlen der Benachteiligung, Hass auf die Eliten der Zentralregierung, Korruption. Ideologisch wird die Bewegung gestützt durch Ideen eines angeblich "reinen Islams", der nötig sei, um sich neu zu organisieren und ein besseres Leben zu erkämpfen.

Anfangs, sagt Vines, habe der Konflikt mit dem Gasprojekt kaum etwas zu tun gehabt, doch der jüngste Angriff zeigt, dass sich das wohl geändert hat. "Sie wollten mit der Attacke Stärke beweisen", sagt der Politologe. Die Aussicht, dass Maputo gemeinsam mit ausländischen Firmen Reichtümer generiert, dürfte das Gefühl, benachteiligt zu werden, unter Sympathisanten der Rebellion noch verstärken.

"Diese Leute sind wütend"

Verlässliche Informationen aus Cabo Delgado zu bekommen, wird erschwert durch die Blockade der Regierung, die seit Jahren unabhängigen Beobachtern den Zugang verwehrt. Der Schulterschluss mit dem IS könnte nach Ansicht von Experten zu einer weiteren Radikalisierung der Aufständischen führen, es gibt Anzeichen, dass Kräfte aus Tansania involviert sind. Außerdem gibt es Trainingslager von Islamisten im Kongo, die von Aufständischen aus Mosambik genutzt wurden.

"Diese Leute sind wütend", sagt der Sicherheitsanalyst Willem Els aus Südafrika. Deshalb müsse man sich darum kümmern, was der Auslöser der Wut sei. Eine rein militärische Strategie könne den Konflikt nicht lösen. Der Politloge Vines sieht das ähnlich, nötig sei ein Kurs, der die Entwicklung der armen Region ermögliche, und auch Gespräche, um besser zu verstehen, warum Leute aus der Gegend die Rebellion unterstützen.

Zunächst aber beherrscht die militärische Kraftprobe das Bild, die Regierung will die Kontrolle zurückerlangen. Maputo setzt dabei auch auf private Sicherheitsfirmen. Anfangs hatte sie auch russische Söldner ins Feld geschickt, dann engagierte der Staat die "Dyck Advisory Group" (DAG), dessen Gründer Lionel Dyck einst als Soldat in der rhodesischen Armee begann. Im südafrikanischen Fernsehen sagt Dyck über die Aufständischen: "Das sind keine Banditen im Busch mehr. Das war ein gut koordinierter Angriff." Die Kämpfer seien schwer bewaffnet, auch mit Mörsern. Sie dürften Waffen aus Beständen der Armee erbeutet haben; dass der IS Lieferungen organisieren könnte, gilt als unwahrscheinlich.

Dyck berichtete am Wochenende davon, wie seine Leute in der verworrenen Lage versuchten, Überlebende aufzuspüren und mit Hubschraubern in Sicherheit zu bringen. Gestorben sind nicht nur Bewohner der Stadt, sondern wohl auch ausländische Arbeiter, niemand kennt bisher ihre Zahl. Die Firma Total erklärte, sie habe 1000 ihrer Mitarbeiter in Sicherheit bringen können.

Entvölkerte Dörfer, menschenleere Landschaften

Aber Dyck, der nun vielen wie ein Retter erscheint, hat auch mit schweren Vorwürfen zu kämpfen. Amnesty International beruft sich auf Augenzeugen, die davon berichteten, dass seine Söldner bei früheren Einsätzen aus Helikoptern wahllos auf eine fliehende Menge geschossen habe. Sie hätten zwischen Zivilisten und militärischen Zielen nicht unterschieden. Sogar vom Einsatz angeblicher Fassbomben ist die Rede, was Dyck bestreitet.

Auch die Armee steht unter Verdacht, Gräueltaten begangen zu haben, im Detail ist das oft schwer zu verifizieren, aber der Politologe Vines hat keine Zweifel, dass auf allen Seiten Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Die Gewalt hat tiefe Spuren hinterlassen, entvölkerte Dörfer, menschenleere Landschaften, die UN registrierten 2600 Tote und 670 000 Vertriebene seit 2017.

Die USA haben zugesagt, Elitesoldaten zu schicken, um das mosambikanische Militär zu trainieren. Das erlaubt Maputo zum ersten Mal. Ob es helfen wird, den Konflikt zu beenden, ist ungewiss. Zumindest dürfte es den IS anstacheln, Cabo Delgado als afrikanische Arena für den Dschihad nicht so schnell aufzugeben.

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