Burundi:Furcht vor der Vergangenheit

Burundi: Kein Spiel: Bei den Krawallen in Burundi wurde auch schon mit scharfer Munition geschossen.

Kein Spiel: Bei den Krawallen in Burundi wurde auch schon mit scharfer Munition geschossen.

(Foto: Phil Moore/AFP)

Ein Präsident, der sich an die Macht klammert und die Verfassung beugt - das gibt es öfter in Afrika. Doch wenn das im kleinen Burundi passiert, werden dunkle Erinnerungen wach.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Eine weitere Hürde ist genommen: Der Präsident des ostafrikanischen Kleinstaats Burundi kann bei der Wahl Ende Juni für eine dritte Amtszeit kandidieren. Nein, das sei kein Verstoß gegen die Verfassung, die eigentlich maximal zwei Amtszeiten für einen Präsidenten vorschreibt. So jedenfalls hat es am Dienstag das Verfassungsgericht des Landes entschieden. Kurz zuvor war dessen stellvertretender Vorsitzender aus dem Land geflüchtet. Die Richter seien "unter enormen Druck gesetzt und sogar mit dem Tod bedroht worden", erklärte er.

Zur Begründung des Urteils erklärten die im Land verbliebenen Richter, die erste Amtszeit von Präsident Pierre Nkurunziza zähle bei der Berechnung nicht - schließlich wurde er beim ersten Mal, im Jahr 2005, nicht vom Volk direkt gewählt, sondern vom Parlament. So sah es das Friedensabkommen von Arusha per Ausnahmeregelung vor, das seinerzeit einen Bürgerkrieg mit mehr als 300 000 Toten beendete. Nkurunzizas Ankündigung, ein drittes Mal zu kandidieren, hat in den vergangenen Tagen Tausende Demonstranten auf die Straßen der Hauptstadt Bujumbura getrieben, wo sie von der Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und auch mit scharfer Munition bekämpft wurden. Mindestens zwölf Menschen sind nach Angaben des Roten Kreuzes bei den Zusammenstößen getötet worden. Eine Beruhigung der Lage ist nicht in Sicht. Nach dem Urteil der Verfassungsgerichts gingen am Dienstag erneut wütende Demonstranten auf die Straße und riefen, sie würden "die dritte Amtszeit niemals akzeptieren".

Der UN-Sicherheitsrat konnte sich bislang nicht auf eine Position einigen

Dass der ehemalige Rebellenführer Nkurunziza mit seiner Kandidatur sowohl gegen die Verfassung als auch gegen das Abkommen von Arusha verstoße, das sieht nicht nur die Opposition so, sondern auch die US-Regierung. Außenminister John Kerry, der Anfang der Woche in Kenia weilte, um mit der dortigen Regierung über Maßnahmen gegen islamistischen Terror zu beraten, sagte, die Entscheidung des Präsidenten Burundis sei ein "offener Verstoß gegen die Verfassung".

Auch die Europäische Union hatte Nkurunziza aufgefordert, sich um eine Lösung zu bemühen, die "im Einklang mit dem Abkommen von Arusha steht". Der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) äußerte sich "besorgt" über eine mögliche Gefährdung der Stabilität in dem früheren Bürgerkriegsland. Dann aber rief die AU die Bürger von Burundi dazu auf, die Entscheidung des Verfassungsgerichts zu respektieren.

Der UN-Sicherheitsrat konnte sich bislang nicht auf eine Position einigen. Die Vertreter von China und Russland stellten sich Berichten zufolge gegen einen von Frankreich eingebrachten Entwurf für eine gemeinsame Erklärung. Es sei "nicht die Aufgabe des Sicherheitsrates", sagte Russlands UN-Botschafter Vitalij Churkin am Freitag vergangener Woche, "sich in die Verfassungs-Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen".

Ein zum Autokraten mutierter früherer Rebellenführer, der sich mit allen Mitteln an die Macht klammert, dabei die Verfassung beugt und Oppositionelle aus dem Weg räumt: Das ist alles andere als eine ungewöhnliche Geschichte aus Afrika. Burundi ist ein kleines Land auf dem Kontinent, es ist gerade einmal knapp so groß wie Brandenburg. Doch der Konflikt könnte für die ganze Region gefährlich werden. Burundi ist nicht nur sehr dicht besiedelt, seine Geschicke sind auch vielfach mit denen seiner Nachbarländer verwoben.

Ähnlich wie im benachbarten Ruanda, wo 1994 bei einem Völkermord mehr als 800 000 Menschen starben, standen sich im burundischen Bürgerkrieg bis 2005 die Volksgruppen der Hutu und Tutsi gegenüber. Zwar verlaufen die Fronten bei der derzeitigen Krise über ethnische Linien hinweg, doch in der Region wächst die Befürchtung, dass, sollte sich die Lage weiter verschärfen, die alten Ressentiments und Loyalitäten reaktiviert werden könnten, etwa innerhalb der Armee. Diese wurde nach Ende des Bürgerkriegs aus früheren Kämpfern beider Seiten zusammengesetzt. Die ruandische Außenministerin Louise Mushikowabo äußerte sich am Montag "besorgt" über die "Gewalt gegen unbewaffnete Zivilisten" im Nachbarland und über Berichte, dass eine regierungstreue burundische Miliz, die mehrmals an Übergriffen auf Oppositionelle beteiligt war, in Kontakt mit den FDLR-Rebellen stehe. Dies ist eine Nachfolge-Miliz der damaligen ruandischen Völkermörder, die bis heute durch den benachbarten Ostkongo marodiert.

Mehr als 30 000 Menschen sind bereits vor der Gewalt in Burundi in Nachbarländer geflohen; die meisten von ihnen - mehr als 24 700 - nach Ruanda. Die Europäische Kommission stellte am Dienstag 1,5 Millionen Euro an Soforthilfe für die Flüchtlinge bereit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: