Burkina Faso:Ende der Ruhe

Militant attack in Ouagadougou

Ermittler tragen Beweismittel aus dem Hotel Splendid in Ouagadougou. Bei dem Anschlag kamen Dutzende Menschen ums Leben.

(Foto: Wouter Elsen/dpa)

In der Hauptstadt Burkina Fasos töten Terroristen mindestens 29 Menschen und nehmen Geiseln. Der Anschlag folgt einem unheilvollen Muster.

Von Isabel Pfaff

An den meisten Ecken gleicht Ouagadougou eher einer Kleinstadt als einer Metropole von 1,5 Millionen Einwohnern. An der Avenue Kwame Nkrumah aber, im überschaubaren Zentrum, pulsiert ab und an das Großstadtleben. Hier stehen die wenigen Luxushotels dieser staubigen Hauptstadt, Touristen und Geschäftsleute steigen dort gerne ab.

Genau diesen belebten Straßenzug wollten die Angreifer treffen, als sie am Freitagabend das Feuer auf das Restaurant Cappuccino eröffneten und dann in das gegenüber liegende Hotel Splendid eindrangen. Beide Orte sind beliebt bei wohlhabenden Burkinern und Ausländern. Wenige Stunden später, am Samstagmorgen, hatten burkinische Sicherheitskräfte das Hotel zusammen mit französischen Spezialtruppen umstellt. Die Angreifer hatten dort mehr als 170 Personen in ihre Gewalt gebracht. Um etwa fünf Uhr früh waren drei der Angreifer tot, ein vierter verschanzte sich in einem nahe gelegenen Hotel, gegen Samstagmittag wurde auch er erschossen.

Treten al-Qaida und der IS in Konkurrenz zueinander, werden friedliche Staaten zu Fronten

Noch am Sonntag gab die Regierung nur vorläufige Opferzahlen heraus. Demnach haben die Terroristen mindestens 29 Menschen getötet, Medienberichten zufolge sind die meisten auf der Terrasse des Cappuccino erschossen worden. Der französische Auslandssender RFI spricht von fünf burkinischen Opfern, die anderen Toten stammten aus Frankreich, Portugal, Kanada, der Schweiz, den USA und den Niederlanden. Wie der burkinische Sicherheitsminister Simon Compaoré mitteilte, konnten die Sicherheitskräfte 176 Geiseln aus dem Hotel Splendid befreien, etwa 30 von ihnen seien verletzt. Wie viele Angreifer es insgesamt gegeben hat, war zunächst unklar.

Die Fahndung nach möglichen Komplizen der vier Toten dauerte am Sonntag an.

Für Burkina Faso ist es der erste Anschlag dieser Größenordnung. Bislang war der Sahel-Staat von den Unruhen in der Region verschont geblieben. Dabei ist das Land umgeben von Krisenherden: Es grenzt im Westen direkt an Mali, das seit Jahren zerrissen wird von den Kämpfen zwischen Regierung, Tuareg-Rebellen und Islamisten. Im Osten verläuft die Grenze zu Niger, auch Nordnigeria ist nicht weit - beides Gebiete, in denen Boko Haram und andere islamistische Gruppen agieren.

Nun ist wohl auch das bislang friedliche Burkina Faso Teil des Operationsgebiets der Sahel-Islamisten geworden. Dafür spricht die Ähnlichkeit des Anschlags mit der Attacke auf das Radisson-Blu-Hotel in Malis Hauptstadt Bamako im vergangenen November. Auch dort stürmten Bewaffnete ein teures Hotel, nahmen mehr als 100 Geiseln und erschossen 20 Menschen. Und: Offenbar hat dieselbe Terrorgruppe die beiden Anschläge ausgeführt. Zu dem Angriff in Ouagadougou bekannte sich noch am Samstag "al-Qaida im islamischen Maghreb" (Aqmi), eine Gruppe, die vor allem in Algerien und im Norden Malis aktiv ist. Nach deren Angaben hat eine Untergruppe namens "al-Murabitun" den Anschlag ausgeführt - genau wie in Bamako.

Allerdings gibt es in Burkina Faso - einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung - kaum lokale Anknüpfungspunkte für islamistische Gruppen. Anders als in Mali oder Nigeria, wo innere Konflikte dem Terror den Boden bereiteten: in Mali der Autonomiekampf der Tuareg, in Nigeria die Perspektivlosigkeit der Bevölkerung im verarmten Norden des Landes.

Burkina Faso hingegen hat in den vergangenen zwei Jahren eher mit seinem Demokratie-Hunger Aufmerksamkeit erregt: Mit weitgehend friedlichen Massenprotesten war es der Bevölkerung gelungen, den autoritären Präsidenten nach 27 Jahren zu stürzen. Nach einer Übergangsphase haben die Burkiner im vergangenen November ihre erste wirklich demokratische Präsidentschaftswahl abgehalten. Neuer Staatschef ist Roch Marc Christian Kaboré. In einer Rede am Samstag verurteilte er den Anschlag als einen Angriff auf die gelungene Demokratisierung seines Landes. Die Terroristen wollten "die Anstrengungen untergraben", die das burkinische Volk unternommen hätte, sagte Kaboré. Der Präsident kündigte an, dass die Regierung die Sicherheit in den großen Städten und an den Grenzen verstärken werde.

Damit zielt er auf eine Schwachstelle: Burkina Fasos Grenzen sind durchlässig. Auch wenn Terroristen dort wohl schwerer Fuß fassen können als in anderen Staaten der Sahel-Zone, bleibt das Land eine Insel inmitten einer instabilen Region. Aus dem zerfallenden Libyen kommen Waffen und Kämpfer nach Westafrika, in Mali und Nigeria haben Islamisten funktionierende Stützpunkte aufgebaut. Für ein armes Land wie Burkina Faso wird es schwer werden, sich dem entgegen zu stellen.

Bedrohlich könnte ein weiterer Faktor sein: Mehrere Beobachter sehen in den Anschlägen von Bamako und Ouagadougou den Versuch von al-Qaida, gegenüber dem "Islamischen Staat" (IS) wieder an Einfluss zu gewinnen. Eine Konkurrenzsituation macht von Terror unberührte Staaten als neue Fronten interessant.

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