Süddeutsche Zeitung

Burkaverbot verabschiedet:Frankreich verbietet Vollschleier

Nach langer Diskussion führt Frankreich das Burka-Verbot ein. Den Zorn islamischer Extremisten fürchtet Präsident Sarkozy nicht. Ebenso wenig stören Bedenken von Juristen, die Regelung verstoße womöglich gegen Persönlichkeitsrechte.

Symbol der grausamen Unterdrückung von Frauen, Zeichen eines fundamentalistischen Islams, unvereinbar mit den republikanischen Werten: Der französische Staat erklärt der Burka und anderen Vollschleiern aus dem islamischen Raum offiziell den Kampf.

Trotz der Warnungen vor Racheakten islamischer Extremisten wollen Präsident Nicolas Sarkozy und die Regierung bereits im Frühjahr 2011 ein Gesetz in Kraft treten lassen, das Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit verbietet. Am Dienstagabend hat das Projekt nun mit der Abstimmung im Senat die letzte Hürde nehmen. 246 Mitglieder des Senats votierten für den Gesetzentwurf, nur eines dagegen.

Auf die Trägerinnen von Ganzkörperschleiern kommen harte Zeiten zu. Wenn sie weiterhin Burka oder Nikab tragen wollen, müssen sie vom Frühjahr des kommenden Jahres an bei jedem Gang vor die Haustür mit einem Bußgeld rechnen. Für Verstöße gegen das als Vermummungsverbot formulierte Gesetz ist eine Strafe von 150 Euro vorgesehen. Zusätzlich oder alternativ dazu kann den Frauen ein Kurs in Staatsbürgerkunde angeordnet werden.

Drakonisch sind die Strafen für Männer, denen nachgewiesen werden kann, Frauen zum Tragen eines solchen Schleiers zu zwingen. Sie sollen mit bis zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 30 000 Euro büßen. Sind die Genötigten minderjährig, kann der Richter sogar zwei Jahre Haft und 60 000 Euro Strafe verhängen.

"Dieses Gesetz ist nicht dafür da, die französische Gesellschaft vor dem Islamismus zu schützen, sondern dafür, die Frauen und ihre Rechte zu schützen", erläutern die Autoren des Gesetzestextes die vergleichsweise glimpflichen Strafandrohungen für die Trägerinnen der Ganzkörperschleier. Die Frauen seien häufig Opfer.

Für Frankreich geht es bei dem Gesetz eher ums Prinzip als um ein reales Problem. Nach Zahlen des Innenministeriums verbergen nicht mehr als 2000 der 65 Millionen Franzosen ihr Gesicht hinter Kleidungsstücken, die nur schmale Sehschlitze für die Augen offen lassen (Nikab) oder diese sogar noch mit einem Gitterschleier verdecken (Burka).

Frauen, die sich Journalistenfragen stellen, geben sich meist kämpferisch. "Gesetze machen mir keine Angst, ich glaube nur an Gott", heißt es von Burka-Trägerinnen trotzig. Etliche berichten, schon jetzt diskriminiert zu werden. "Man schaut mich an, als wäre ich ein Monster. Ich wurde angegriffen, beschimpft", erzählt eine von ihnen.

Präsident Nicolas Sarkozy stellt das nicht infrage. "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern ein Zeichen der Unterwerfung. Sie ist in Frankreich nicht willkommen", sagt der Staatschef. Bedenken, dass ein zu harter Kurs gegen Burka-Trägerinnen die Verfassungsrichter oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf den Plan rufen könnten, plagen die Staatsspitze offenbar nicht.

Ebenso wenig zeigt sie Sorgen um die Beziehungen zur islamischen Welt oder zu liberalen Bündnispartnern wie den USA. Westliche Staaten sollten muslimischen Frauen nicht vorschreiben, was sie anzuziehen haben, hatte US-Präsident Barack Obama im vergangenen Jahr in seiner berühmt gewordenen Kairoer Rede gesagt.

In der Bundesregierung dürften Erfolg oder Misserfolg des französischen Burka-Verbots genau beobachtet werden. In Deutschland hielten Betroffene und Experten ein entsprechendes Vorgehen zuletzt weder für vorstellbar noch für empfehlenswert.

In der Bevölkerung herrscht allerdings eine andere Meinung: Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage für das Nachrichtenmagazin "Focus" befürworten 61 Prozent der Deutschen ein Verbot der Ganzkörperverschleierung.

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