Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan-Einsatz:Traumatisiert und verbittert

Schlaflose Nächte, Angstzustände, Depressionen: Hunderte deutsche Bundeswehrsoldaten leiden nach Auslandseinsätzen an den Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Betroffen sind vor allem Afghanistan-Rückkehrer. Zurück in Deutschland erwartet sie ein weiterer Kampf: gegen die Bürokratie.

Peter Blechschmidt

Immer mehr Bundeswehr-Soldaten kehren mit seelischen Verwundungen aus Auslandseinsätzen, vor allem aus Afghanistan, in die Heimat zurück. Lange Zeit wurde das Problem in Politik und Armee unterschätzt. Oft dauert es Monate, wenn nicht Jahre, bis die Symptome einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als solche erkannt werden.

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795 Soldaten, zumeist Afghanistan-Rückkehrer, wurden bis Ende November mit posttraumatischer Belastungsstörung behandelt.

(Foto: AFP)

Auch wollen sich viele Soldaten diese psychische Erkrankung nicht eingestehen, um nicht als "Weichei" zu gelten. Mittlerweile aber hat die Bundeswehrführung viel getan, um den Betroffenen besser zu helfen. Eine Maßnahme war die Einsetzung eines PTBS-Beauftragten im November 2010. Jetzt liegt dem Verteidigungsausschuss des Bundestags der erste Bericht dieses Beauftragten, des Brigadegenerals Christof Munzlinger, vor.

In diesem Jahr wurden nach Angaben der Bundeswehr bis Ende November 795 Soldaten wegen PTBS behandelt, 657 von ihnen nach einem Afghanistan-Einsatz. Im Vorjahr wurden insgesamt 729 Fälle verzeichnet. Die Zahlen steigen nach einem vorübergehenden Rückgang im Jahr 2006 kontinuierlich an.

Bundeswehr und Gesetzgeber hätten sich mittlerweile auf die veränderte Lage eingestellt, konstatiert Brigadegeneral Munzlinger in seinem Bericht. Viele Betroffene beklagten jedoch, dass die gesetzlichen Regelungen zu spät erlassen worden und mit zu hohem bürokratischen Aufwand verbunden seien. "Gefühlte fehlende Anerkennung durch die Gesellschaft, Desinteresse und mangelndes Verständnis von einzelnen Vorgesetzten und Kameraden sowie nicht erfüllte Versprechen schneller und unbürokratischer Hilfe führen mitunter zu Enttäuschung und Verbitterung", formuliert der General vorsichtig, aber deutlich.

Die gesetzlichen und konzeptionellen Grundlagen sowie die materiellen Voraussetzungen der Fürsorge für die Soldaten reichten im Prinzip aus, heißt es in dem Bericht weiter. Die Gründe für die Unzufriedenheit lägen vielmehr "im praktischen Vollzug". Vor allem die Verfahren bis zur Anerkennung einer durch den Einsatz bewirkten Schädigung dauerten viel zu lange und würden zu bürokratisch-starr gehandhabt.

Im Schnitt dauert ein Anerkennungsverfahren bis zum ersten Bescheid durch die Bundeswehrverwaltung circa 18 Monate. Kommt es anschließend zu einem Rechtsstreit, können bis zu einem Abschluss des Prozesses Jahre vergehen. Ein Grund für die lange Verfahrensdauer ist die Aufsplitterung von Zuständigkeiten auf zahlreiche verschiedene, oft räumlich getrennte Behörden. Munzlinger schlägt vor, die Abwicklung der Verfahren künftig in eine Hand zu geben.

Vor allem aber fehle es an Personal für die Begutachtung der vorgelegten Fälle. Im Sanitätsamt der Bundeswehr gebe es gerade mal drei Stellen für Versorgungsmediziner, die mit bis zu 3600 Anerkennungsverfahren pro Jahr konfrontiert seien. Deshalb würden etwa 20 zivile Außengutachter beschäftigt, die aber den Problemen nicht immer gerecht würden. Verbessert werden müsse auch die Dokumentation der Vorfälle im Einsatz, die zu den psychischen Störungen der Soldaten geführt hätten. Schließlich sollte stärker als bisher schon vor Aufnahme in die Bundeswehr auf "psychophysische Eignung" der Bewerber geachtet werden.

"Der Bericht trifft ins Schwarze", sagte die Verteidigungsexpertin der FDP, Elke Hoff, der Süddeutschen Zeitung. "Das Parlament hat mit dem Gesetz über die Weiterverwendung von im Einsatz verwundeten Soldaten seine Hausaufgaben gemacht. Jetzt ist es an Verteidigungsminister Thomas de Maizière, die bürokratischen Hürden beiseitezuräumen."

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