Bundeswehrskandal:Vorwürfe gegen von der Leyen: "Klebrige Selbstinszenierung"

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  • Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kritisiert die Bundeswehr wegen des Falles Franco A. - und steht nun für den Umgang mit der Affäre selbst in der Kritik.
  • Sie produziere nur schöne Bilder, wirft ihr die SPD vor. Aber auch aus der CDU kommt Kritik.
  • Grüne und Linke fordern eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses.

Nach ihrer Kritik an der Bundeswehr steht nun Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen selbst in der Kritik für ihren Umgang mit der Truppe.

Von der Leyen hatte der Bundeswehr ein "Haltungsproblem" und "Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen" vorgeworfen. Am Mittwoch besuchte sie außerdem die Kaserne in Illkirch, Frankreich, wo der mutmaßlich rechtsextreme Oberleutnant stationiert war, der sich eine zweite Identität als syrischer Flüchtling zugelegt und vermutlich einen fremdenfeindlichen Anschlag geplant hatte. Dabei hatte sie erklärt, die Wehrmacht sei in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr.

Politiker der Opposition, aber auch des Koalitionspartners SPD erheben nun heftige Vorwürfe. So habe sie "nur schöne Bilder produziert, aber kein einziges Problem der Bundeswehr gelöst", sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Auch der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Wolfgang Hellmich von der SPD, kritisiert den medienwirksamen Besuch der Ministerin in Illkirch. Er sagt, es dränge sich der Verdacht auf, es gehe der Ministerin um eine Inszenierung von Handlungsfähigkeit. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley spricht sogar von "klebriger Selbstinszenierung".

Grüne und Linke fordern Sondersitzung

Grüne und Linke fordern eine persönliche Befragung der Verteidigungsministerin zu der Affäre. Dazu solle eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses anberaumt werden, sagt ein Mitarbeiter der Grünen-Fraktion in Berlin. Die Verteidigungsexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger, wirft der Ministerin vor, sich vor der Verantwortung für Missstände in der Bundeswehr zu drücken. "Wir erwarten, dass die Ministerin den Abgeordneten rasch, umfassend und persönlich Bericht zum Fortgang der Ermittlungen und zu ergreifenden Konsequenzen erstattet", fordert Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Ein Antrag auf eine Sondersitzung ist bei Bundestagspräsident Norbert Lammert bereits eingegangen.

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Kritik kommt auch aus der eigenen Partei. Der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl kritisiert die Aussage der Verteidigungsministerin, dass der Fall ein grundsätzliches Problem der Bundeswehr offenbare. Er sagt: "Das ist nicht die Bundeswehr, die ich kenne, sondern das sind einzelne Fälle. Die muss man aufklären. Aber wir haben mit unserer Bundeswehr eine gute Truppe."

Bundewehrangehörige auf dem Weg ins Verteidigungsministerium. Angesichts der Selbstinszenierungsvorwürfe will die Ministerin bei dem heutigen Termin auf Pressefotos verzichten. (Foto: dpa)

Angesichts des Falles erklärt der Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker die "Selbstreinigungskräfte" in den Streitkräften für unzureichend. Er habe die Sorge, dass diese "nicht so zur Wirkung gelangen, wie wir uns das alle wünschen", sagt Wieker. Daher müsse nun aufgeklärt werden, ob es bei der Bundeswehr einen "übertrieben Korpsgeist" gebe oder "Zielkonflikte im Loyalitätsverhältnis." Auch ob der betroffene Offizier Teil eines rechtsextremen Netzwerkes sei, müsse noch untersucht werden. Inzwischen hat das Bundeskriminalamt die Ermittlungen an sich gezogen.

Die Linksfraktion im Bundestag fordert nun eine Umbenennung von Kasernen. "Der Wehrmachtsverherrlichungs-Saustall in der Bundeswehr muss aufgeräumt werden", sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. "Wenn sich die Bundeswehr tatsächlich von der Wehrmacht distanzieren will, dann sollte sie beispielsweise endlich ihre Kasernennamen entnazifizieren." Ihre Nähe zur Wehrmacht bekunde die Bundeswehr etwa durch die Kasernennamen Marseille (Wehrmachts-Jagdflieger) in Appen-Uetersen, Dirk Lilienthal (Ritterkreuzträger) in Delmenhorst und Adelbert Schulz (Generalmajor an der Ostfront) in Munster. Jelpke fordert eine Offenlegung aller 280 rechtsextremen Verdachtsfälle, denen der Militärgeheimdienst MAD derzeit nachgehe.

Angesichts der scharfen Vorwürfe hat von der Leyen angekündigt, auf Fotos zu verzichten, wenn sie sich heute Nachmittag in Berlin mit rund 100 Generälen und Admiralen trifft.

© SZ.de/dpa/Reuters/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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