Skandal auf der "Gorch Fock":Gerüchte, Mutmaßungen, Dementis

Schon im Dezember wurde im Bundestag über eine Meuterei auf der "Gorch Fock" diskutiert - das Verteidigungsministerium wiegelte ab. Minister Guttenberg will erst diese Woche von den Problemen erfahren haben.

P. Blechschmidt

Gerüchte über eine angebliche Meuterei auf dem Segelschulschiff Gorch Fock sind schon Anfang Dezember im Bundestag zur Sprache gekommen. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, bestätigte der Süddeutschen Zeitung am Freitag, dass er im Verteidigungsausschuss gefragt habe, ob es so etwas Ähnliches wie eine Meuterei auf dem Paradeschiff der deutschen Marine gegeben habe.

'Gorch Fock' zu Ausbildungstoern gestartet

Die "Gorch Fock" ist der Stolz der deutschen Marine - Gerüchte über eine mögliche Meuterei wurden in Berlin schon im Dezember diskutiert. Verteidigungsminister zu Guttenberg will davon aber nichts mitbekommen haben.

(Foto: ddp)

Dies sei damals verneint worden. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat erklärt, dass er erst in dieser Woche durch einen Brief des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus von entsprechenden Vorwürfen erfahren habe.

Laut Königshaus liegen ihm Beschwerden von Offiziersanwärtern vor, die sich von der Schiffsführung drangsaliert gefühlt haben. Nach dem tödlichen Sturz einer 25-jährigen Soldatin aus der Takelage des Schiffes Anfang November in Brasilien hätten einige Besatzungsmitglieder sich geweigert aufzuentern.

Andere hätten die Reise abbrechen wollen. Vier ältere Offiziersanwärter, die auf Bitten des Kommandanten vermitteln sollten, seien später der Meuterei beschuldigt worden. Der Kommandant habe sie aus der Ausbildung ablösen wollen.

"Emotionale Spannungen"

Arnold sagte nun der SZ, er habe schon Anfang Dezember von derartigen Gerüchten gehört. Im Verteidigungsausschuss sei ihm jedoch vom Inspekteur der Marine geantwortet worden, es gebe keine Hinweise auf ernsthafte Probleme. Es habe nach dem tödlichen Sturz "emotionale Spannungen" unter der Besatzung gegeben. Deshalb habe man beschlossen, die Ausbildung abzubrechen und die Lehrgangsteilnehmer nach Hause zu fliegen.

Dass die Ausbildung abgebrochen wurde, hatte die Marine nach dem Unfall offiziell mitgeteilt. Über die Hintergründe aber wurde Minister zu Guttenberg nach seinen eigenen Worten nicht informiert.

Ob der Vorwurf der Meuterei so schwerwiegend ist, dass man ihn dem Minister hätte melden müssen, will Guttenberg nach den Worten seines Sprechers Steffen Moritz erst nach Abschluss der eingeleiteten Untersuchung bewerten.

Zur Klärung der Vorgänge soll am Montag eine Delegation des Ministeriums und des Wehrbeauftragten in der südargentinischen Hafenstadt Ushuaia an Bord der Gorch Fock gehen. Sie hatte nach dem Unfall mit verstärkter Stammbesatzung ihre Weltreise fortgesetzt.

Marine-Sprecher Achim Winkler betonte, es habe keine Meuterei gegeben. "Der Begriff ist völlig falsch und überzogen", sagte der Fregattenkapitän der Deutschen Presse-Agentur, nachdem er am Donnerstag mit der Gorch Fock in Ushuaia angekommen war. Meuterei bedeute, dass die ganze Besatzung auf die Barrikaden gehe. Auch nach dem tödlichen Unfall sei dies nicht der Fall gewesen.

Der "ausgezeichnete Verteidigungsminister" wird aufklären

Anders als bei der Gorch Fock fühlt sich Guttenberg laut Moritz im Fall des in Afghanistan ums Leben gekommenen deutschen Soldaten ausreichend informiert. Zwar hatte sich der Minister erst in dieser Woche den kompletten Untersuchungsbericht der Militärpolizei (Feldjäger) vorlegen lassen. Doch sei er "über alle Wesentlichkeiten" laufend unterrichtet worden, sagte Moritz.

Der 21-jährige Hauptgefreite war am 17. Dezember, einen Tag vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Guttenberg in Afghanistan, durch einen Schuss aus der Pistole eines Kameraden getötet worden. Die Feldjäger kommen zu dem Ergebnis, dass es sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" um einen Unfall gehandelt habe.

Der Unglücksschütze habe nach dem Reinigen seiner Pistole die Funktionsfähigkeit seiner Waffe geprüft. Dabei habe sich der Schuss gelöst und den Kameraden in den Kopf getroffen. Eine Zeugenaussage, dass mehrere Soldaten "in spielerischem Umgang" sich gegenseitig Pistolen "vor die Nase" gehalten hätten, ließen die Feldjäger unberücksichtigt. Welche Version stimme, müsse nun die Staatsanwaltschaft klären, sagte Moritz.

Guttenberg räumt Versäumnisse ein

In den bisherigen Unterrichtungen für das Parlament waren diese Details nicht enthalten. Abgeordnete fühlen sich deshalb von Guttenberg nicht ausreichend und teilweise irreführend informiert. In einer Besprechung mit den Obleuten des Verteidigungsausschusses räumte Guttenberg nach Angaben von Teilnehmern Versäumnisse ein. Für die unvollständige Berichterstattung übernahmen nach diesen Informationen Generalinspekteur Volker Wieker und der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Rainer Glatz, die Verantwortung.

Merkel stellte sich hinter Guttenberg. Sie sei "ganz sicher, dass dieser ausgezeichnete Verteidigungsminister" nun alles zur Aufklärung und Beendigung möglicher Missstände tun werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

In der Feldpost-Affäre haben sich laut Moritz 15 Soldaten gemeldet, deren Briefe aus dem nordafghanischen Stützpunkt OP North in die Heimat geöffnet worden waren. Im fraglichen Zeitraum habe ein privater Dienstleister die Post befördert, sagte Moritz. Einen Zusammenhang der Brieföffnungen mit dem Tod des Hauptgefreiten, der sich ebenfalls im OP North ereignet hatte, gebe es offenbar nicht, weil die Brieföffnungen alle vor dem Tod des Soldaten bemerkt wurden.

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