Bundeswehreinsatz in der Türkei:Die hohen Kosten für ein bisschen Symbolpolitik

Merkel in der Türkei

Eine "Patriot"-Abwehrstaffel im südtürkischen Kahramanmaras. Der Bundeswehreinsatz in dem Land endet nun.

(Foto: dpa)

Die Bundeswehr zieht ihre Flugabwehrraketen aus der Türkei ab. Lässt Deutschland damit einen Nato-Partner im Stich, nur weil ihm die jüngsten Umtriebe des türkischen Präsidenten nicht passen?

Von Christoph Hickmann

In den nächsten Monaten endet der Türkei-Einsatz der Bundeswehr, sie zieht ihre Flugabwehrraketen ab. Lässt Deutschland damit einen Nato-Partner im Stich, nur weil ihm die jüngsten Umtriebe des türkischen Präsidenten nicht passen? Mitnichten. Stattdessen ist es gut, dass es bald vorbei ist. Das Ende war überfällig.

Von Beginn an war der Einsatz vor allem symbolischer Natur. Zustande kam er Ende 2012, nachdem die Türkei um Beistand gebeten hatte - im Grenzgebiet zum Bürgerkriegsland Syrien waren Granaten eingeschlagen. Eine ernsthafte Bedrohung durch Raketen oder gar die syrische Luftwaffe aber gab es wohl nie. Stattdessen ging es der Türkei darum, angesichts der syrischen Gemengelage zu signalisieren: Wir haben die Nato im Rücken. Und die Deutschen waren angesichts des überschaubaren Risikos für die eigenen Leute gern bereit, ihre so oft angezweifelte Einsatzbereitschaft unter Beweis zu stellen.

Unterschiedliche Standards in den Nato-Armeen

Doch gleich zu Beginn der Mission knirschte es gewaltig. Ein türkischer General schubste eine deutsche Feldjägerin durch die Gegend, Demonstranten griffen Bundeswehrsoldaten an, und sowohl die sanitären Anlagen als auch ein Teil der Unterkünfte befanden sich in einem nicht nur grenzwertigen, sondern unzumutbaren Zustand.

Auch bei der Kommunikation mit den türkischen Kameraden haperte es anfangs, sodass die Deutschen sich schnell an eine Lektion erinnerten, die man in den stets gepflegten Bundeswehr-Feldlagern in Afghanistan schon mal vergessen konnte: Nato-Partner ist nicht gleich Nato-Partner. In den Armeen dieses Bündnisses herrschen noch immer unterschiedliche Standards, was etwa die Behandlung von Untergebenen angeht. Was hier ein Fall für den Wehrbeauftragten wäre, ist anderswo Alltag. Wenn der Einsatz für irgendetwas gut war, dann dazu, das Bewusstsein für diese unterschiedlichen Kulturen zu schärfen.

Hoher Preis für die Symbolpolitik

Der Preis dafür allerdings war schon seit einiger Zeit zu hoch. Die verkleinerte Bundeswehr verfügt nur noch über einen relativ kleinen Kreis von Spezialisten, wie sie in der Türkei gebraucht wurden. Angesichts der offensichtlich nicht vorhandenen Bedrohung war es immer schwieriger, ihnen und ihren Familien zu erklären, warum sie nach kurzer Erholungspause schon wieder in die Türkei abkommandiert wurden. Zum Schluss kamen noch die Schwierigkeiten hinzu, die Türkei in eine Strategie gegen den sogenannten Islamischen Staat einzubinden. Und schließlich das türkische Vorgehen gegen die Kurden. Es gab Gründe genug, diesen Einsatz zu beenden.

Was aus ihm folgt? Hoffentlich die Erkenntnis, dass die Krisen dieser Welt zu zahlreich und die Kapazitäten der Bundeswehr zu gering sind, um sich in Zukunft derartige Symbolpolitik leisten zu können. Die Überlegungen der Bundesregierung, mehr Soldaten für die UN-Truppe Minusma in Mali bereitzustellen, gehen da in die richtige Richtung - dort könnte die Truppe tatsächlich etwas bewirken. Allerdings drohen dort womöglich auch andere Gefahren als von schubsenden Generälen oder ein paar aufgebrachten Demonstranten.

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