Nehmen wir zum Beispiel den Berliner Ring: Über manchen Abschnitt des Autobahnrings um die Hauptstadt könnte die Nato wohl vorerst keine Verstärkungen an eine mögliche Front bringen. Das klingt erst einmal nicht dramatisch und ist Ausdruck von Normalität in Deutschland. Ständig stehen Autofahrer irgendwo im Stau, weil Autobahnabschnitte saniert werden müssen. Aktuell sind alle Kriegsszenarien zum Glück hypothetisch, und doch zeigt das Beispiel, dass die logistische Infrastruktur, die für militärische Einsätze im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung unverzichtbar ist, im Kriegsfall untauglich erscheint.
Schon jetzt kommt der Bundesrepublik in Nato-Übungen als geografische Drehscheibe eine entscheidende Rolle zu: Über Deutschlands Straßen und Schienen müssten in einem Landes- und Bündnisfall Truppenkontingente und militärisches Gerät an eine mögliche Front im Osten transportiert werden. Dazu gehört auch, dass sie zahlreiche Straßen, aber auch Brücken überqueren müssten, die den tonnenschweren Panzern gewachsen sein müssen.
Jetzt kommt es darauf an, möglichst schnell die entsprechende Infrastruktur zu schaffen
Bereits im vergangenen Jahr kritisierte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) die marode Infrastruktur des Landes, welche die Mobilität der Streitkräfte massiv beeinträchtige. In einem Papier forderte der Autor Jannik Hartmann ein Sondervermögen in Höhe von 30 Milliarden Euro, um gezielt die dringendsten Arbeiten an den Abschnitten des Schienen- und Autobahnnetzes zu finanzieren, die für den Transport von Panzern, Truppen und Material benötigt werden „Die militärische Infrastruktur ist nach wie vor mangelhaft“, sagt er. Umso wichtiger sei es deshalb, dass Bundeswehr und EU-Kommission in der vergangenen Woche die wichtigsten Strecken und Baumaßnahmen identifiziert haben. „Der Weg für das Geld wurde mit der Grundgesetzänderung vergangene Woche frei gemacht“, sagt Hartmann. Nun komme es darauf an, schnell zu bauen, alle Transportvorschriften zwischen EU- und Nicht-EU-Ländern, aber auch zwischen den deutschen Bundesländern zu harmonisieren.
Denn nicht nur marode Straßen, sondern auch zahlreiche Richtlinien beschränken den schnellen Transport von militärischem Gerät in Deutschland und der EU. Vor wenigen Wochen erst hat der Europäische Rechnungshof den EU-Aktionsplan zur militärischen Mobilität unter die Lupe genommen. Dabei kam er zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Streitkräfte der EU-Staaten seien nach wie vor nicht in der Lage, sich schnell innerhalb der Union zu bewegen. Das Ziel, Truppen, Ausrüstung und Nachschub innerhalb Europas schnell und reibungslos verlegen zu können, sei nicht erreicht worden. Solche Verlegungen müssten teilweise 45 Tage im Voraus angemeldet werden, und Panzer könnten nicht immer von einem EU-Land in ein anderes fahren, weil sie schwerer seien, als es die Straßenverkehrsordnung des jeweiligen Landes erlaube. „Es beginnt schon innerhalb Deutschlands“, sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im EU-Parlament. Sobald die Bundeswehr militärisches Gelände verlasse, „benötigt sie 100 unterschiedliche Papiere je nachdem, welche Straße sie nutzen will“. Wolle man innerhalb Europas flexibel und einsatzbereit sein, müssten die „bisherigen Regeln umgehend geändert werden“, sagt Strack-Zimmermann.