Bundeswehr:Trainieren statt schikanieren

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Ein Ausbilder der Bundeswehr überprüft auf einem Truppenübungsplatz in Ahlen die entleerten Waffen. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Die Bundeswehr-Ausbildung ist unter anderem wegen der Skandale um Mobbing und um kollabierende Teilnehmer von Ausbildungsmärschen in Verruf geraten.
  • Die Bundeswehr reagiert und versucht ihre Ausbildungskultur zu entstauben. Ein Bericht des Verteidigungsministeriums befasst sich mit der bereits angelaufenen Reform.
  • Demnach bekommen nun auch weniger robuste Bewerber ihre Chance. Sie werden vor der Gefechtsausbildung körperlich fit gemacht.

Von Mike Szymanski, Berlin

Es geht um den "ersten Eindruck", bei der Bundeswehr ist das in der Regel jener Moment, in dem Rekruten auf ihre Ausbilder treffen. Was dann schiefläuft, prägt für diese Menschen das Bild der Bundeswehr. "Das bleibt", heißt es mahnend in einem Bericht des Verteidigungsministeriums, der sich mit der angelaufenen Reform der Ausbildung befasst und diese Woche dem Parlament zugeleitet wurde.

Dass in der Ausbildung einiges schiefläuft, war zuletzt nicht mehr zu übersehen: Im niedersächsischen Munster starb ein Offizieranwärter im vergangenen Sommer nach einem Ausbildungsmarsch. Drei andere Soldaten waren kollabiert.

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Die meisten von ihnen sind einem Medienbericht zufolge bereits entlassen worden. Zudem hat die Bundeswehr 24 Islamisten in den eigenen Reihen entdeckt.

In Pfullendorf, im Ausbildungszentrum Spezielle Operationen, mussten mehrere Offiziersanwärter einen Geländelauf aus Erschöpfung abbrechen. Die Ausbilder dort stehen sogar im Verdacht, die Rekruten absichtlich überfordert zu haben. Von einem Selektionslauf ist die Rede.

Der Umgangston in der Bundeswehr? Alles andere als einladend. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, hat in seinem Jahresbericht für 2017 jedenfalls Beispiele angeführt, die wenig Begeisterung für die Truppe wecken dürften: So beleidigte ein Hauptfeldwebel einen ihm untergebenen Stabsunteroffizier als "fettes Bauernstück" und trat ihm in den Hintern.

Soldaten könnten entsprechend ihrer Fitness in Gruppen eingeteilt werden

Geht es nach Ministerin Ursula von der Leyen (CDU), die mittlerweile Ausbildungsfragen in einer "Agenda Ausbildung" gebündelt hat, soll das bald nicht mehr vorkommen. Im Ministeriumsbericht heißt es nun, die gesamte Ausbildung stehe "auf dem Prüfstand". Gerade mit Blick auf die jüngsten Missstände bei der Ausbildung zeigt sich ein Umdenken bei der Bundeswehr.

Sie hat erkannt, dass ihr heute "eine deutlich schmalere Basis" zur Verfügung steht, aus welcher der künftige militärische Nachwuchs gewonnen werden könne. Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht befindet sich die Truppe weit stärker im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern.

Aber nicht jeder, der zur Bundeswehr will, bringt auch sofort die Eignung mit, gerade was die körperlichen Fähigkeiten angeht. Darauf soll nun auch die Ausbildung reagieren. "Körperliche Leistungsfähigkeit und Robustheit können heute nicht mehr in bisherigen Maßstäben vorausgesetzt, sondern müssen deutlich stärker als zuvor erst entwickelt werden."

Von einer Ausbildungskultur, "die fordern, aber nicht überfordern" soll, ist in dem Papier die Rede. Ansätze dafür gibt es schon. Heeres-Inspekteur Jörg Vollmer hatte nach den Vorfällen angeordnet, dass die jungen Soldaten entsprechend ihrer Fitness in Gruppen eingeteilt werden. Das Ausbildungskommando in Leipzig gab eine Anweisung heraus, die Ausbildern vorschreibt, körperlich hartes Training sofort zu stoppen, wenn ein Soldat zu verstehen gibt, dass er nicht mehr weitermachen könne.

Das Heer will die Rekruten künftig zunächst auch körperlich fit machen, bevor die Gefechtsausbildung beginnt. In einem Pilotprojekt in Hagenow steht in den ersten sechs Wochen vor allem Sport auf dem Dienstplan.

Die Überlegungen im Ministerium gehen weiter. In dem Bericht heißt es, es sei zu prüfen, wie bereits vor dem Eintritt in die Bundeswehr die körperliche "Ausbildungsfähigkeit" festgestellt und darauf hingearbeitet werden könne. Ausbildung und Qualifizierung müssten auf der Grundlage "eines wertschätzenden Miteinander" praktiziert werden.

Reformiert werden soll auch die Ausbildung der Unteroffiziere und Offiziere im Heer. Anfang des neuen Jahrtausends war die militärische Ausbildung stark zentralisiert worden. Das hatte nach Auffassung des Ministeriums zur Entfremdung von der Truppe geführt, ein Stück weit sei "militärische Heimat" verloren gegangen. Da, wo es sinnvoll und möglich erscheine, soll die Ausbildung des Führungsnachwuchses wieder "zurück in die Truppe verlagert" werden. Dadurch würde die Ausbildung auch wieder praxisnäher, heißt es in dem Ministeriumsbericht.

Ein weiteres Mal würde von der Leyen damit eine Reform ihrer Vorgänger rückabwickeln. Denn da die Bundeswehr nun wieder wachsen soll, will von der Leyen auch mehr Liegenschaften behalten als geplant. Eigentlich sollten zahlreiche Standorte schließen.

So gesehen fügt sich von der Leyens Reform der Ausbildung auch in ein größeres Bild. Jedenfalls kann es sich die Truppe nicht mehr erlauben, dass Nachwuchs die Bundeswehr vorzeitig verlässt, sei es aus Überforderung oder Unterforderung. Nach von der Leyens Vorstellungen soll die Bundeswehr bis 2024 von heute 180 000 auf 200 000 Soldaten anwachsen. Aber die Truppe kommt dabei nur in Trippelschritten voran.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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