Bundeswehrstützpunkt in Usbekistan:Plötzlich ein Geheimnis

Der Geist soll zurück in die Flasche: Es ist bekannt, dass der Bundeswehrstützpunkt in Usbekistan 16 Millionen Euro pro Jahr kostet. Doch nun will die Bundesregierung die Zahl am liebsten verbergen. Der Zensurversuch ist das jüngste Beispiel für unangenehme Verrenkungen der Bundesregierung im Umgang mit dem diktatorischen Regime in Taschkent.

Daniel Brössler

Das derzeit am schlechtesten gehütete Geheimnis Berlins stammt aus der Bundestags-Drucksache 17/5638. Unter den Punkten 49 bis 51 enthält sie drei Fragen der Grünen-Abgeordneten Viola von Cramon zum Bundeswehrstützpunkt im usbekischen Termes. Sie will wissen, was die Bundesregierung für den Stützpunkt bezahlt, wofür genau das Geld fließt und an wen. Wer die Drucksache im Internet aufruft, findet statt Zahlen den Satz: "Die Antworten sind in der Geheimschutzstelle hinterlegt und können dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden." Sie seien vom Verteidigungsministerium als "VS - Nur für den internen Dienstgebrauch" eingestuft worden. Der Zensurversuch ist das jüngste Beispiel für unangenehme Verrenkungen der Bundesregierung im Umgang mit dem diktatorischen Regime in Taschkent. Dahinter steht die Furcht, Termes zu verlieren.

Lufttransportstützpunkt Termez

Der Lufttransportstützpunkt im usbekischen Termes sei ein unersetzliches Drehkreuz für den Afghanistan-Einsatz, sagt die Bundeswehr.

(Foto: picture-alliance/ ZB)

In der Tat enthalten die nun als vertraulich eingestuften Angaben brisante Zahlen. In seiner Antwort auf die Fragen der Grünen hatte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), am 15. April mitgeteilt, dass Deutschland den Usbeken neuerdings eine "Ausgleichszahlung" von 15,95 Millionen Euro pro Jahr für den Stützpunkt überweist und dies im Januar 2011 erstmals getan hat. Darüber berichtete die Süddeutsche Zeitung im April, andere Medien folgten. Nachzulesen waren die Zahlen auch für jedermann online in besagter Bundestags-Drucksache. Kürzlich nun aber besann sich Kossendey. In einem Brief vom 9. Juni informierte er die Abgeordnete von Cramon, seine Antwort vom April enthalte sensible Daten. "Im Rahmen einer erneuten, internen Nachprüfung ist eine Einstufung der Antworten als 'VS - Nur für den internen Dienstgebrauch' im Nachgang geboten", schrieb er. Dies sei bei der ursprünglichen Übermittlung "bedauerlicherweise nicht erfolgt".

Der Versuch, den Geist zurück in die Flasche zu stopfen, stößt bei den Grünen nun auf eine Mischung aus Heiterkeit und Verärgerung. "Es ist ein äußerst kurioser Vorgang, die Zahlen acht Wochen nach der Veröffentlichung mit einem Geheimschutzstempel zu versehen", sagt von Cramon. Jetzt sei "wirklich davon auszugehen, dass etwas faul ist an der Sache". Was alles faul sein könnte, sagt sie auch: "Man weiß nicht, ob es schlechtes Gewissen gegenüber dem deutschen Steuerzahler ist oder Unterwürfigkeit gegenüber dem usbekischen Diktator." Die Bundesregierung könne jedenfalls nicht belegen, wofür sie das Geld ausgebe.

Mehr noch als Geld freilich kostet der "Lufttransportstützpunkt" in Termes Reputation. Eröffnet wurde er 2002 als Drehkreuz für den Afghanistan-Einsatz. Für diesen Zweck, argumentiert die Bundeswehr, ist er bis heute unersetzlich. Auch nach dem Massaker an Demonstranten in der Stadt Andischan hielt Deutschland an dem Stützpunkt fest. Im Umgang mit dem Regime von Präsident Islam Karimow gilt: Zu scharfe Kritik könnte den Stützpunkt gefährden. Andererseits will die Bundesregierung den Eindruck vermeiden, sie schweige zu Menschenrechtsverletzungen aus Sorge um Termes. Als der usbekische Vize-Außenminister Wladimir Norow Ende Mai in Berlin weilte, übernahm es daher der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amtes, Markus Löning (FDP), dem Usbeken ausführlich ins Gewissen zu reden. Aus Taschkent war später zu hören, Präsident Karimow sei mit dem Verlauf der Deutschland-Visite Norows nicht wirklich zufrieden gewesen.

Auf Mahnungen aus Deutschland reagiert die usbekische Seite für gewöhnlich so selbstbewusst wie ungehalten. Mit Termes hält sie einen Trumpf in der Hand, den sie finanziell und politisch zu nutzen weiß. Darüber ärgert sich nicht nur die Opposition im Bundestag. Kritische Nachfragen, ob es zu Termes keine Alternative gebe, kamen im Auswärtigen Ausschuss jüngst auch aus Union und FDP. Als Variante wird diskutiert, den Lufttransport direkt über Masar-i-Scharif in Afghanistan abzuwickeln. Verteidigungspolitiker glauben indes nicht hieran und halten an Termes fest. Was die Kosten betrifft, so sind sie auch künftig in der Drucksache 17/5638 nachzulesen. Die bereits gedruckte Version bleibt nach Angaben der Bundestagsverwaltung unverändert.

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