Sonderprogramm:Bundeswehr muss auf Ausrüstung warten

Sonderprogramm: Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht bei einem Truppenbesuch beim Artilleriebataillon 295 in der Alb-Kaserne.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht bei einem Truppenbesuch beim Artilleriebataillon 295 in der Alb-Kaserne.

(Foto: Felix Kästle/DPA)

Verteidigungsministerin Lambrecht hat im März versprochen, schnell neue Schutzwesten, Nachtsichtgeräte und Funkgeräte zu besorgen. Mit deren Auslieferung wurde noch nicht einmal begonnen.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Bundeswehr kommt mit ihrem Vorhaben, die Truppe besser auszustatten, wesentlich langsamer voran, als von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in Aussicht gestellt worden ist. Noch im März hatte sie im Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt, es sei nur "eine Frage von Wochen, bis die ersten Verbesserungen bei der Truppe ankommen". Konkret hatte sie zugesagt, die Soldatinnen und Soldaten schleunigst mit "Schutzwesten, Nachtsichtgeräten, modernen Funkgeräten" ausstatten zu wollen. Für "all das, was direkt bei den Soldatinnen und Soldaten ankommt", hatte sie ein Sonderprogramm angekündigt. Dieses Sonderprogramm existiert mittlerweile. Aber wie Recherchen der SZ zeigen, schleppt sich die Beschaffung hin.

Knapp ein halbes Jahr später ist von den im Interview angesprochenen Ausrüstungsgegenständen noch nichts in der Truppe angekommen. Die Beschaffung sei zwar eingeleitet worden, wie das Verteidigungsministerium erklärte. Mit der Auslieferung an die Truppe würde erst im Laufe des vierten Quartals, zum Teil erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 begonnen werden.

Das Wehrressort hat unter anderem 305 000 Schutzwesten geordert. Derzeit leisten etwa 182 000 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst. Deren Zahl soll perspektivisch auf 203 000 Uniformierte steigen. Bei Schutzwesten ist der Mangel besonders eklatant: Soldaten bekommen sie zur Verfügung gestellt, wenn sie in Einsätze gehen oder auf die Schießbahn, danach müssen sie die Westen aber wieder abgeben, weil nicht genügend vorhanden sind. "Erste Schutzwestensysteme werden im vierten Quartal 2022 zur Verfügung stehen", erklärte das Ministerium nun.

Lieferschwierigkeiten der Hersteller gefährden den Plan

Ähnlich verhält es sich mit den Nachtsichtgeräten. Die Auslieferung beginnt ebenfalls frühestens im Herbst. Allerdings hat die Bundeswehr nur 20 000 Stück bestellt. Noch sehr lange müssen die Soldaten auf die versprochenen modernen Funkgeräte warten, dabei hatte die Ministerin selbst von "unvorstellbaren" Zuständen in der Bundeswehr gesprochen. Die Funkgeräte, die bei der Bundeswehr noch im Einsatz sind, sind so veraltet, dass sich internationale Partner bei gemeinsamen Übungen und Einsätzen mitunter weigern, darüber zu kommunizieren.

Lambrecht hatte Abhilfe noch in dieser Legislaturperiode in Aussicht gestellt. Nun gefährden Lieferschwierigkeiten der Hersteller und der Umstand, dass das Parlament sich wegen des Finanzvolumens mit dem Auftrag befassen muss, diesen Fahrplan. Erste Lieferungen seien "erst im zweiten Halbjahr 2023 zu erwarten", führte das Ministerium aus. Außerdem sind Lambrechts Haus zufolge nur 28 000 dieser modernen Funkgeräte bestellt worden.

Die Regierungsfraktionen im Bundestag hatten im April die Vollausstattung der Bundeswehr mit bestimmten Ausrüstungsgegenständen auf den Weg gebracht. Dazu zählen Gefechtshelme, Schutzwesten, Kampfbekleidung und Rucksäcke. Bis Ende 2025 soll jede Soldatin, jeder Soldat zeitgemäß ausgestattet sein. Dafür sind knapp 2,4 Milliarden Euro vorgesehen. Insgesamt hat die Regierung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr zur Verfügung gestellt, um sie wieder in die Lage zur Landes- und Bündnisverteidigung zu versetzen.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages mahnt zügige Verbesserungen an

Die Beschaffung neuer Kampfjets und Transporthubschrauber aus den USA ist bereits in die Wege geleitet worden. Aber auch bei den großen Waffensystemen wird es noch Jahre dauern, bis das neue Gerät eintrifft. Die Hubschrauber kommen frühestens 2025, die Jets wohl erst im Jahr 2026.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, sagte der SZ, es sei zu begrüßen, dass es in den nächsten Jahren viel Geld für dringend benötigtes Material gibt. "Die Soldatinnen und Soldaten freuen sich über diese Unterstützung und auf die bessere Ausstattung und das neue Material." Aber noch seien das "Hoffnungen und Erwartungen".

Sie mahnt Tempo an: Die Prozesse bei Planung und Beschaffung müssten deutlich beschleunigt werden. "Es muss spürbar zu Verbesserungen führen. Nicht erst 2045, sondern zügig." Außerdem brauche es einen Gleichklang und abgestimmte Zeitpläne bei Material, Personal und Infrastruktur. "Das läuft bisher nur sehr schleppend an", sagte Högl, die in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Truppenbesuche unternommen hat. Eine ihrer Erkenntnisse: "Kommt Material, fehlen Spinde und Stellflächen."

Ähnlich äußert sich Oberstleutnant im Generalstab Marcel Bohnert, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Bundeswehr-Verbandes. "Bisher ist noch nicht viel zu spüren", sagte er der SZ. Ein "euphorisierender Effekt" in der Truppe sei bislang ausgeblieben. Er führt das auf den kurzen Zeitraum zurück. "Der politische Wille ist erkennbar." Man arbeite im Ministerium mit Hochdruck. "Wir haben aber Probleme zu lösen, die dadurch entstanden sind, dass jahrelang etwas schiefgelaufen ist. Das braucht Zeit."

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