Der heutige Arbeitsminister Jung ist mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, weil er in seiner Zeit als Verteidigungsminister nach eigenen Angaben nicht über Erkenntnisse der Bundeswehr zu zivilen Opfern eines von ihr angeordneten Luftangriffs bei der afghanischen Stadt Kundus informiert war.
Auch nach seinem Statement vor dem Bundestag gibt es Rücktrittsforderungen gegen den früheren Verteidigungsminister und jetzigen Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU).
Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Susanne Kastner (SPD), sagte den Ruhr Nachrichten, die Affäre um den Luftangriff im September mit zivilen Opfern in Afghanistan habe gezeigt, "dass Herr Jung nicht für ein Regierungsamt geeignet ist". Nun werde ein umfassender, offener und ehrlicher Bericht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Verteidigungsausschuss erwartet.
Die Ausschussvorsitzende sieht das Engagement der Soldaten in Afghanistan durch die Affäre belastet: "Das ist eine zusätzliche Belastung für die Soldaten und für die gesamte Bundeswehr", wurde Kastner zitiert. Jung habe auch mit seiner schlechten Informationspolitik dazu beigetragen, "dass die Akzeptanz für den Einsatz in der Bevölkerung zurückgegangen ist".
Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele forderte den Rückzug Jungs aus dem Kabinett. Der Rücktritt des Generalinspekteurs und eines Staatssekretärs reiche nicht aus, sagte er der Berliner Zeitung. "Es kann doch nicht sein, dass im Verteidigungsministerium Informationen behandelt werden wie zu Zeiten des Feldtelefons, wo mal einer auf die Leitung tritt und die Verbindung unterbricht", sagte Ströbele. Der Minister müsse sein Amt so organisieren, dass alle relevanten Nachrichten auch oben ankämen.
Die Bild-Zeitung hatte am Donnerstag Details aus einem geheimen Bundeswehrbericht veröffentlicht. Demzufolge hatte Jung in der Öffentlichkeit zivile Opfer noch ausgeschlossen, obwohl ihm längst das Gegenteil bekannt gewesen sein musste.
Jung verteidigte sich gegen die Vorwürfe. Er habe Parlament und Öffentlichkeit stets korrekt informiert, sagte Jung am Donnerstagabend im Bundestag. Dass es einen internen Bericht der Bundeswehr-Feldjäger gebe, wonach erste Meldungen über zivile Opfer schon am Abend des 4. September an das Einsatzführungskommando in Potsdam gegangen seien, habe er erst am 5. oder 6. Oktober erfahren.
Bei seiner Rechtfertigung hat sich Jung offenbar erneut in Widersprüche verstrickt. So soll er aus einer Einzelmeldung des Kommandos in Kundus zitiert haben, die auf demselben Weg nach Deutschland gelangt war wie Meldungen über zivile Opfer.
Auch als Jung am 8. September im Bundestag erklärte, bei dem Angriff in der Nähe von Kunduz seien Taliban und deren Verbündete getötet worden, habe er sich auf eine Einzelmeldung des Regionalkommandos in Afghanistan bezogen, die zusammen mit anderen an das Einsatzführungskommando in Potsdam gegangen sei. In diesen anderen Meldungen sei aber von zivilen Opfern und mangelnder Aufklärung vor der Bombardierung die Rede gewesen.
Auch in der eigenen Partei regt sich Widerstand gegen Jung. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, sagte dem von der Opposition geforderten Untersuchungsausschuss Unterstützung zu. Es sei auch Aufgabe der Union, die Umstände des umstrittenen Angriffs aufzuklären und die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung zu stärken, sagte Mißfelder dem Deutschlandfunk. Einen Rücktritt Jungs lehnte er ab.
Nach Angaben der Bild enthält das Deckblatt des Geheimberichts einen Vermerk mit der Warnung vor einer Weitergabe. Es drohten negative Folgen, sollte der Bericht ohne begleitende, fachliche Kommentierung in eine Untersuchung einfließen. Der Ermittlungsbericht besteht aus einem Ordner von rund 100 Seiten, einer CD und einer DVD mit den Angriffs-Videos.
Der Verteidigungsausschuss des Bundestags will heute die Pannen bei der Information der Öffentlichkeit über den tödlichen Luftangriff auf zwei gekaperte Tanklastzüge in Nordafghanistan untersuchen. Die geheime Sondersitzung hat die Opposition durchgesetzt. Sie fühlt sich von Jung nur unzureichend über den Luftschlag im September informiert, den die Bundeswehr angefordert hatte - dabei waren bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen.