Bundeswehr:Die da oben

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Das All im Blick: Verteidigungsminister Pistorius in Uedem beim Weltraumkommando der Bundeswehr. (Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Nicht nur Handys und Geldautomaten sind mit Satelliten verbunden, auch im militärischen Bereich wird das All immer wichtiger. Verteidigungsminister Pistorius besucht das Weltraumkommando der Bundeswehr, wo Pionierarbeit geleistet wird.

Von Sina-Maria Schweikle, Uedem

Der Weltraum ist längst eine Art Kriegsschauplatz geworden. Satelliten werden aus ihrer Umlaufbahn gedrängt, Daten abgefangen und Truppenbewegungen am Boden ausspioniert. Auch das Militär ist im All präsent: Ganze zehn Satelliten hat die Bundeswehr im Weltraum – von denen zwei nicht funktionieren. Nicht nur auf der Erde fehlt es den Streitkräften an vielem. Auch im All gibt es Nachholbedarf.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will das ändern. Auch deshalb reiste er am Donnerstag an die niederländische Grenze, wo das Weltraumkommando inmitten westfälischer Felder seinen Sitz hat. Bei seinem Antrittsbesuch im jüngsten Kommando der Bundeswehr will er mehr darüber lernen, was die rund 150 Frauen und Männer hier eigentlich so machen. Vielen sei die Bedeutung des Kommandos noch nicht bewusst. „Wir müssen einfach erkennen, dass der Weltraum eine strategische Dimension ist und wir uns damit beschäftigen müssen, und zwar lieber früher als später“, sagt Pistorius.

„Inzwischen sind moderne Armeen auf weltraumgestützte Systeme angewiesen.“

Denn ob Handy, Navigationssystem, Geldautomaten, Schiffe oder Flugzeuge. Sie alle sind mit dem Weltraum verbunden gehören zum täglichen Leben. „Würden die satellitengestützten Systeme ausfallen, fielen wir in das vordigitale Zeitalter zurück“, sagt die Politikwissenschaftlerin Antje Nötzold am Telefon mit der SZ. Schließlich funktioniere die moderne Gesellschaft heute wirtschaftlich und sozial über diese kritische Infrastruktur. Aber auch im militärischen Bereich hätte ein Ausfall der Satelliten Folgen. „Inzwischen sind moderne Armeen auf weltraumgestützte Systeme angewiesen“, sagt Nötzold.

Was das bedeutet, könne man etwa im Ukrainekrieg beobachten. Dort stört Russland großflächig das GPS mit Jamming, einem Störsender. Das führt, wenn der Störsender sehr stark ist, unter anderem dazu, dass eine ukrainische Aufklärungsdrohne vom Kurs abgebracht oder gar zum Absturz gebracht wird. Es kann aber auch die zivile Luftfahrt stören, sodass Fluggesellschaften erhebliche Probleme und wirtschaftliche Einbußen erlangen.

In der fensterlosen Operationszentrale in Uedem haben sie das Gewusel des Alls im Blick. Normalerweise sitzen hier sechs Soldaten. Sie arbeiten eng mit den zivilen Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammen. Am Donnerstag ist der Raum voll, schließlich ist der Minister da. Auf einem meterhohen Bildschirm bewegen sich bunte Punkte, Linien und rote Kegel über den Globus. Kommt hier Weltraumschrott auf den Satelliten zu, oder nähert sich ein anderes Objekt? Welche Gebiete werden von feindlichen Satelliten überwacht und wie ist es eigentlich mit dem Weltraumwetter? Boris Pistorius lässt sich die Arbeit genau erklären und sagt später: „Sie beschäftigen sich mit einem Raum, den die meisten, und zu denen hätte ich mich vor zehn Jahren oder fünf Jahren auch noch gezählt, vor allen Dingen als Schauplatz von Science-Fiction-Filmen betrachten.“ 

Aber mit Science-Fiction-Filmen hat das, was sich in dem braunen Backsteingebäude abspielt, wenig zu tun. Allenfalls die Miniaturrakete, der nachgebaute Satellit oder die Zeichnung der Roboterfigur R2-D2 in einem der Flure erinner daran. Hier geht es nicht um bemannte Raumschiffe, die um die Eroberung von Planeten kämpfen. Hier geht es darum, die weltraumgestützten Systeme und Dienste zu verteidigen. Nicht nur für die Bundeswehr, sondern für die gesamte Gesellschaft. Dazu zählen rund 70 Satelliten deutscher Behörden und Unternehmen, sowie die acht funktionierenden Satelliten der Bundeswehr, unter anderem zur Aufklärung und Kommunikation.

Das Weltraumkommando leistet „Pionierarbeit“

„Die Weltraumnutzung gehört zu unserer kritischen Infrastruktur“, sagt Generalmajor Michael Traut, Kommandeur des Weltraumkommandos. Die Aufgabe sei es, so Traut, zum einen darüber nachzudenken, „wie wir unsere Weltraumsysteme gegen Bedrohungen schützen oder gar verteidigen können“, aber auch für die betriebliche Sicherheit zu sorgen, also Unfälle im All etwa mit Weltraumschrott oder anderen Satelliten zu vermeiden. Denn eine große Gefahr für die aktiven Satelliten geht von ihren inzwischen ausgedienten Vorfahren aus, die als Weltraumschrott um die Erde kreisen, oder von den etwa eine Million Schrottteilchen, die mit mehreren Kilometern pro Stunde durch den Weltraum fliegen.

„Pionierarbeit“ nennt Boris Pistorius die Arbeit in Uedem, und tatsächlich erinnert vieles hier an ein Start-up-Unternehmen. Bevor das Weltraumkommando vor drei Jahren neu aufgestellt wurde, gab es bereits 2009 ein Weltraumlagezentrum. Im nächsten Jahr soll deutlich mehr Geld in die satellitengestützte Kommunikation fließen, und ab 2027 sollen mehr als 220 Soldatinnen und Soldaten von Uedem aus in den Himmel blicken. Doch eines will man in Deutschland trotz der guten Nachrichten nicht. Anders als in den USA ist die Weltraumabteilung keine eigene Teilstreitkraft, sondern der Luftwaffe in Berlin zugeordnet.

In Uedem weiß man, dass es noch viel zu tun gibt. Schließlich steht Deutschland bei der Nutzung des Weltraums im Vergleich zu Ländern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich noch relativ schlecht da. Von den rund 10 000 aktiven Satelliten, die im All kreisen, gehört nur ein kleiner Teil den Deutschen. Allein 6000 sind Starlink-Satelliten von Elon Musk.

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