Armee:Rechnungshof rügt Verschwendung bei der Bundeswehr

Armee: Bundeswehrsoldaten nutzen Maschinengewehre MG5 mit Hensoldt Optik.

Bundeswehrsoldaten nutzen Maschinengewehre MG5 mit Hensoldt Optik.

(Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Nachlässig ausgegebene Steuergelder, mieses Projektmanagement, zu wenig Schutz vor Korruption - die Rechnungsprüfer des Bundes kritisieren die Bundeswehr scharf. Besonders heikel: Zeitverluste bei der Cyberabwehr.

Von Mike Szymanski, Berlin

Etliche Millionen Euro für ungenutzte Software, elektronische Akten, die nicht ausgereift sind, ein Cyber-Lagezentrum, das nicht pünktlich einsatzbereit sein wird, und mangelnder Schutz vor Korruption im Beschaffungsamt - die Rechnungsprüfer des Bundes üben scharfe Kritik an der Bundeswehr. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht listen sie Beispiele für einen nachlässigen Umgang mit Steuergeldern und für schlechtes Projektmanagement auf.

Dem Rechnungshofbericht kommt in diesem Jahr besondere Bedeutung zu, weil die Ampelregierung der Bundeswehr in einem Sondervermögen zusätzliche 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellen will. Gegner des Vorhabens kritisieren, dass die Bundeswehr bislang schon nicht in der Lage gewesen sei, ihre finanziellen Mittel richtig einzusetzen.

Kay Scheller, Präsident des Rechnungshofes, erklärte am Dienstag, die kritisierten Fälle seien "exemplarisch": "Sie zeigen die Herausforderungen, wenn die Bundeswehr jetzt die enormen Haushaltsmittel wirksam und wirtschaftlich für Beschaffungen einsetzen will." Der Bericht sollte am Dienstag dem Bundestag übergeben werden.

Der Bericht führt auch einen Fall auf, der ganz direkt die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr betrifft. Vor fünf Jahren hatte die Bundeswehr damit begonnen, eine deutsche Cyberabwehr aufzubauen. Dazu gehört ein Lagezentrum, das sie in Einsätzen mit teils geheimen Informationen unterstützen soll. Im kommenden Jahr, wenn Deutschland die Führung der schnelleren Eingreiftruppe der Nato übernimmt, soll es einsatzbereit sein.

Das Cyberzentrum wird deutlich später fertig als geplant

Doch obwohl laut Rechnungshof schon mehr als 60 Millionen Euro in das Projekt geflossen sind, sei das Lagezentrum "noch weit davon entfernt", der Bundeswehr und den Nato-Partnern ein modernes Lagebild liefern zu können. Die Prüfer führen die Versäumnisse auf eine "unzureichende Planung" zurück.

Die Bundeswehr sei von "üblichen Verfahren" abgewichen -eigentlich, um schneller ans Ziel zu kommen. Nun ist das Gegenteil der Fall. Es fehlt an qualifiziertem Personal; so war etwa die Stelle der Projektleitung anderthalb Jahre lang nicht besetzt. Außerdem war nicht ausreichend präzisiert, was die neue Software leisten muss. Im August 2021 erklärte der IT-Dienstleister, er könne nicht pünktlich gewährleisten, dass die Programme in der Lage seien, geheime Informationen zu übertragen. Auch ihm fehle Personal. Das eingeplante Geld würde nicht reichen, das Lagezentrum ließe sich "unter den geforderten Bedingungen" nicht betreiben.

Die Rechnungsprüfer kritisieren zudem, auch dem Parlament gegenüber sei das Projekt "zu optimistisch" dargestellt worden. Das Verteidigungsministerium hatte laut Bericht den Prüfern gegenüber jedoch Probleme eingeräumt und erklärt, dass das Projekt seit vergangenem September unterbrochen sei. Noch in diesem April werde eine Entscheidung über die Zukunft erwartet. Frühestens Mitte 2024 sei das Lagezentrum einsatzbereit. Das wäre mindestens ein Jahr später als geplant.

In einem anderen Fall kritisieren die Rechnungsprüfer, dass die Bundeswehr zwischen 2006 und 2019 mehr als 50 Millionen Euro für Software ausgegeben hat, die sie nicht oder kaum benutzt. "Die Ausgaben für den Erwerb und die Pflege ungenutzter Software waren unnötig und unzulässig", heißt es im Bericht, von "Fehleinkäufen" ist die Rede, und weiter: "Die Bundeswehr hat damit gegen Haushaltsrecht verstoßen." Wenn das Ministerium nicht handle, fielen bis auf Weiteres jährliche Kosten von fünf Millionen Euro an.

Sondervermögen contra "Haushaltswahrheit"

Nach Ansicht des Rechnungshofs muss sich das Verteidigungsministerium im Beschaffungsamt der Bundeswehr, einer Großbehörde mit mehr als 7000 Dienstposten, ernsthafter mit der Gefahr durch möglicherweise korrupte Mitarbeiter auseinandersetzen. Eigentlich sollen Beschäftigte nicht länger als fünf Jahre auf besonders korruptionsgefährdeten Dienstposten eingesetzt werden. Sollte dennoch längere Verwendung notwendig sein, müsse die Dienstaufsicht verstärkt werden. Der Rechnungshof, der diese Kritik schon in der Vergangenheit mehrmals vorgebracht hat, sieht hier weiterhin eine "mangelhafte Kontrolle seitens des Ministeriums".

Am Konstrukt eines Sondervermögens für die Bundeswehr übte Rechnungshofpräsident Scheller grundsätzliche Kritik. Es sei richtig, die Bundeswehr für ihren Kernauftrag der Verteidigung auszustatten. Aber genau deshalb gehöre die Finanzierung von Kernaufgaben "in den Kernhaushalt, nicht in ein Sondervermögen". Sondervermögen vernebelten "die Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit", sagte Scheller. Er warnte vor einem Dammbruch in der Haushaltspolitik, das Vorgehen dürfe keinesfalls Schule machen.

Zur SZ-Startseite
Bundestag - Ausstattung der Bundeswehr

Bundeswehr
:Sind die 100 Milliarden Euro gut investiert?

Die Unterstützung der Soldaten ist längst überfällig, meinen die einen, um die Truppe wieder einsatzfähig zu machen. Andere fürchten nun ein unkontrolliertes Aufrüsten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: