Bundeswehr:Plötzlich Teil des Problems

Von Der Leyen Reviews KSK Troops

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) beschäftigt die am besten ausgebildeten Kämpfer der Bundeswehr, doch die Enthüllung rechter Umtriebe stürzte die Einheit in eine Existenzkrise.

(Foto: Thomas Niedermueller/Getty Images)

Nach einer Reihe rechtsextremer Vorfälle verordnete Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer der Elitetruppe KSK einen Neuanfang. Helfen sollte ihr dabei der Chef der Einheit, Brigadegeneral Markus Kreitmayr. Nun heißt es, er sei nicht mehr zu halten.

Von Mike Szymanski, Berlin

Als Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Sommer vor einem Jahr dem Kommando Spezialkräfte nach einer Reihe rechtsextremer Vorkommnisse eine letzte Chance gab, tat sie dies mit einem eindringlichen Appell. Sie sagte bei ihrem Besuch am Standort des KSK in Calw, dass jeder die Möglichkeit habe, für sich zu entscheiden: "Will ich Teil des Problems bleiben oder ein Teil der Lösung werden?"

Eine Person galt bislang immer klar als Teil der Lösung: Brigadegeneral Markus Kreitmayr, 52 Jahre alt und seit Juni 2018 Kommandeur des Spezialkräfte-Verbandes.

Mit ihm an ihrer Seite wollte Kramp-Karrenbauer einen Neuanfang beim KSK wagen. Nur stellt sich jetzt die Frage, ob Kreitmayr noch als Verbündeter dabei sein kann. Kreitmayr sei nicht länger als Kommandeur des KSK zu halten, heißt es in Kreisen des Verteidigungsministeriums.

Was ist passiert?

Kreitmayrs Leute gehören zu den am besten ausgebildeten Kämpfern der Bundeswehr. Sie jagen Terroristen und Kriegsverbrecher. Aber als im Mai 2020 bekannt wurde, dass einer aus ihren Reihen, der Oberstabsfeldwebel Sch., bei sich daheim in Sachsen Waffen gehortet hatte und wegen seiner rechten Gesinnung ins Visier der Ermittler geraten war, stürzte dieser Fall den Verband endgültig in eine Existenzkrise. Es war der Höhepunkt einer Reihe rechtsextremer Vorfälle im KSK. Kreitmayr verfasste damals einen Brief, wie es ihn im KSK so noch nicht gegeben hatte. Rechtsextreme hätten in seinem Verband nichts zu suchen, schrieb er und sprach diese direkt an: "Sie verdienen unsere Kameradschaft nicht!" Sie sollten aus "eigenem Antrieb" das KSK verlassen. "Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!"

Brigadegeneral Markus Kreitmayr 
Foto: Bundeswehr / KSK

Brigadegeneral Markus Kreitmayr, 52, ist seit Juni 2018 Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte in Calw. Zuvor leitete er zwei Jahre lang das Referat Managemententwicklung im Verteidigungsministerium.

(Foto: Bundeswehr / KSK/Bundeswehr / KSK)

Seither hat es das KSK gehörig durchgeschüttelt: Die 2. Kompanie, die Ausgangspunkt rechter Umtriebe war, wurde von der Ministerin ersatzlos aufgelöst, ein Reformprozess aufgesetzt - alles zusammen mit Kreitmayr. Es sah so aus, dass das KSK auf einem guten Weg sei - und nun das: Ausgerechnet im Gerichtsverfahren gegen Oberstabsfeldwebel Sch. wurde bekannt, dass KSK-Soldaten im Frühjahr 2020 von der Führung der Einheit die Möglichkeit eingeräumt wurde, gehortete Munition straffrei zurückzugeben. Wie lange das Angebot galt und ob Kreitmayr zu diesem Zeitpunkt vom Fall Sch. bereits wusste, ist unklar. Dass das KSK ein Rechtsextremismus-Problem hat, war aber bekannt.

Von einer Amnestie ist nun die Rede, auch weil sich dieser Begriff in Protokollen so findet. Außerdem kamen bei der Aktion offenbar Zehntausende Schuss Munition zusammen - womit wohl auch niemand gerechnet hatte.

Diese Menge hatte noch einmal deutlich gemacht, wie lax der Umgang mit Munition im KSK offenbar über Jahre hinweg war. Im Zuge der Ermittlungen machten erschreckende Zahlen die Runde. In einem Zwischenbericht mit Stand Ende Oktober war noch von Fehlbeständen "von 13 000 Munitionsartikeln und 62 Kilogramm Sprengmitteln" die Rede, deren Verbleib sich "nicht mehr mit absoluter Sicherheit bestimmen lassen" werde. Von "unsachgemäßer Buchführung" und einem "Zählfehler" war die Rede, "Anhaltspunkte für Diebstahl oder Unterschlagung dieser Artikel" hätten nicht identifiziert werden können.

Davon aber, dass es ein halbes Jahr zuvor die Möglichkeit gegeben hatte, Munition zurückzugeben, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, steht im Zwischenbericht, der von Generalinspekteur General Eberhard Zorn unterzeichnet wurde, kein Wort. Dabei hatte doch auch die Ministerin Transparenz versprochen. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, sieht den gesamten Reformprozess bereits in Gefahr. Die Zweifel daran "müssten schnell ausgeräumt werden - von Kommandeur Markus Kreitmayr und Bundesministerin Kramp-Karrenbauer", sagte sie der ARD. Ein Ministeriumssprecher erklärte am Montag, dass die Ermittlungen, die dazu im Heer geführt würden, kurz vor dem Abschluss stünden.

Von einer Geheimaktion könne keine Rede sein, heißt es in Calw

Im KSK werden die Vorkommnisse anders dargestellt. Es sei darum gegangen, all die Munition, die sich am Standort des KSK befunden hätte, zusammenzutragen. Teils in Kellern und Lagerräumen hätten Soldaten Munition für ihre Übungen gehortet. Aus Einsätzen seien Restbestände nicht immer ordnungsgemäß zurückgegeben worden. Dieses Verhalten sei tatsächlich unsachgemäß und ein Fehler gewesen, heißt es im KSK. Es sei der Führung aber darum gegangen, einen unhaltbaren Zustand abzustellen - eben über dieses Angebot. Von einer Geheimaktion ohne Kenntnis des Ministeriums könne auch nicht die Rede sein, heißt es weiter in Calw. Spätestens Seit Mai 2020, als der Verband in seine Krise stürzte, seien alle relevanten Unterlagen auch nach Berlin ins Ministerium gegangen.

In der Opposition hat Kreitmayr bereits an Rückhalt verloren. Sollten die Vorwürfe so zutreffen, stellten sich "sehr ernste Fragen nach der Verantwortung des Kommandeurs", sagte der Grünen-Politiker Tobias Lindner der Süddeutschen Zeitung. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht Versäumnisse genauso im Ministerium: "Mir kann keiner erzählen, dass der General ohne Rücksprache mit dem Ministerium gehandelt hat."

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