Bundeswehr-Offensive in Afghanistan:"Es ist Zeit für Eskalation"

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Die Sicherheitslage im Norden Afghanistans ist schlechter als je zuvor. In Kundus hat die Bundeswehr ihre bisher größte Offensive gestartet. Verteidigungsminister Jung spricht von einer großen "Herausforderung".

Die Sicherheitslage in der afghanischen Provinz Kundus ist offenbar schlechter als je zuvor. Die Bundeswehr hat dort nun die bisher größte Militäroffensive gegen die radikal-islamischen Taliban und Aufständische gestartet, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sueddeutsche.de bestätigte: Mit Panzern und 1200 Soldaten - darunter 300 Deutsche - gehen die Truppen gegen Aufständische vor. Die Offensive soll eine Woche dauern, teilten Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und General Wolfgang Schneiderhan, der Generalinspekteur der Bundeswehr, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin mit.

Die Bundeswehr befindet sich in der bisher größten Militäroffensive in Nordafghanistan. (Foto: Foto: Reuters (Archivbild 2008))

Jung begründete die Offensive mit der Verschlechterung der Lage im Raum Kundus durch zunehmende Angriffe und Hinterhalte von Aufständischen. "Wir sind jetzt besonders herausgefordert in Kundus." Schneiderhan ergänzte: "Der Raum hat sich negativ entwickelt. Da braucht man nicht herumzureden." Genau deshalb sei es "jetzt an der Zeit, diese Eskalation vorzunehmen".

Ziel sei, die Lage dort vor der Präsidentschaftswahl im August in Afghanistan wieder in den Griff zu bekommen, damit es zu einem ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl komme. Bei der Operation werden erstmals von deutscher Seite Mörser und Schützenpanzer eingesetzt. Die Bundeswehr habe die Waffen und das Gerät schon lange in Afghanistan zur Verfügung, sagte Schneiderhan. Die Militärführer vor Ort entschieden, wann und wie die Waffen eingesetzt würden.

Vertreiben und zerstören

Jung zufolge findet die Offensive in einem Radius von 30 Kilometern um die Provinzhauptstadt Kundus statt. Nach Angaben aus der Bundeswehr werden die radikal-islamischen Taliban in der Region aus Pakistan gesteuert und finanziert. Die Bundeswehr unterstütze die afghanischen Sicherheitskräfte nun dabei, die Taliban zu vertreiben und ihre Führung zu zerstören. Bereits am Montag hatte das Ministerium mitgeteilt, dass auch sogenannte Luftnahunterstützung zum Einsatz komme.

Dieser in der Militärsprache genannte "close air support" bedeutet, dass die Luftwaffe den Bodentruppen zu Hilfe kommt. Diesmal soll erstmals aus der Luft scharf geschossen worden sein, hieß es in Berlin.

Für die amerikanischen Truppen in Afghanistan war der Juli bereits jetzt der bisher tödlichste Monat seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes. 31 Soldaten sind allein seit Monatsbeginn getötet worden, berichtete die Washington Post am Mittwoch. Damit liege die Opferzahl über der bisherigen Höchstzahl im Juni 2008, als insgesamt 28 US-Soldaten starben. Auch die anderen ausländischen Truppen mussten im Juli schwere Verluste hinnehmen.

Deutsche haben wieder mehr Angst vor Kriegen

Unterdessen hat der Stern eine Umfrage mit dem Titel "Sorgenbarometer" veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass immer mehr Bürger Furcht vor Kriegen mit deutscher Beteiligung haben. 35 Prozent der Befragten hätten große (24 Prozent) oder sehr große (elf Prozent) Angst davor. Das seien insgesamt fünf Prozentpunkte mehr als bei einer Umfrage im März, teilte das Magazin am Mittwoch mit.

Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei warnte im RBB-Inforadio vor einer Gewaltspirale. In Kundus machten sich jetzt gravierende Fehler des vergangenen Jahres bemerkbar. Dort seien mehr als 500 Stellen bei der Polizei gestrichen worden. Erst dadurch hätten sich die Taliban dort festsetzen können.

Während die Linke erneut einen sofortigen Abzug aller deutschen Truppen forderte, hat sich auch der ehemalige SPD-Verteidigungsminister Peter Struck zum Thema Afghanistan geäußert. In einem Interview mit der Zeit bedauerte er die ablehnende Haltung der Deutschen zum Einsatz und gab Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Mitschuld daran: "Es ärgert mich, dass die Deutschen diesen Militäreinsatz so wenig unterstützen. Da ist auch Frau Merkel in der Pflicht. Sie müsste sich als Bundeskanzlerin gegen diese Stimmung stemmen. Aber sie macht es nicht." Struck scheidet zum Ende der Legislaturperiode aus dem Bundestag aus.

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