Bundeswehr:Mehr Panzer für mehr Beruhigung

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Panzer der Bundeswehr bei einer Übung in Sachsen-Anhalt (Foto: picture alliance / dpa)

Braucht die Bundeswehr nur noch 225 Panzer? Es dürfen ruhig mehr sein. Zwar rechnet niemand ernsthaft mit Panzerschlachten. Aber darum geht es auch gar nicht. Sondern um Psychologie und die Frage, welche Armee die Bundesregierung will.

Kommentar von Christoph Hickmann

Sind 225 Kampfpanzer genug? Für die Bundeswehr, für Deutschland, für die Sicherheit der Verbündeten im Osten? Genügen 89 Panzerhaubitzen? Wie viele Schützenpanzer sollen es sein?

In der Ukraine herrscht Krieg, und im Verteidigungsministerium wird wieder über Fragen nachgedacht, von denen man einige Zeit glaubte, dass sie sich nie wieder stellen würden. Zusammen ergeben sie eine große Frage, die angesichts der Lage im Osten, aber auch in diversen Staaten Afrikas, im Irak oder (ja, noch immer) in Afghanistan einer neuen Antwort bedarf: Welche Bundeswehr brauchen wir?

225 Kampfpanzer? In den Achtizgerjahren waren es mal 3500

Im nächsten Jahr will die Regierung eine Antwort geben, dann soll das neue Weißbuch für die Bundeswehr fertig sein. Schon jetzt aber lassen sich Teilfragen beantworten, etwa die nach den Kampfpanzern. Tatsächlich wirkt die Zahl 225 erst einmal erschreckend gering, nachdem es in den Achtzigerjahren mal 3500 waren.

Auf der anderen Seite erwartet niemand ernsthaft Panzerschlachten auf dem Gebiet der Nato. Worum es stattdessen geht, ist Psychologie: Je sicherer sich die Verbündeten im Osten fühlen, etwa der Nachbar Polen, desto geringer wird die Gefahr von Übersprungshandlungen, die zur Eskalation führen könnten. Für dieses Sicherheitsgefühl ist die Zahl der deutschen Kampfpanzer nicht ganz unbedeutend. Mehr als 225 dürften es ruhig sein.

Die Regierung muss entscheiden, welche Armee sie haben will

Wie viele genau? Jedenfalls so viele, dass die Bundeswehr kein "dynamisches Verfügbarkeitsmanagement" betreiben muss. Hinter diesem Vernebelungsbegriff verbirgt sich die nackte Mangelverwaltung: Weil die Truppe durchschnittlich nur zu 75 Prozent mit Panzern und anderem schweren Gerät ausgestattet ist, sollen die Ungetüme quer durch die Republik gekarrt werden - dorthin, wo ausgebildet oder geübt werden muss. Das ist so, als arbeiteten bei der Stadtreinigung 100 Straßenkehrer, für die es leider nur 75 Besen gibt. Da hilft auch nicht der Einwand, das sei bei der Bundeswehr schon immer so gewesen. International macht man sich auf diese Weise schlicht lächerlich.

Das Grundproblem liegt in einem zentralen Prinzip der Bundeswehrreform. Es lautet: Breite vor Tiefe. Die Truppe wird zwar verkleinert, und zwar personell wie materiell - soll aber zugleich alle wesentlichen militärischen Fähigkeiten behalten. Das führt dazu, dass sie manches eher schlecht als recht kann und Dinge, in denen sie gut ist, im Einsatz nur mit größter Mühe länger durchhält - etwa die Raketenabwehr. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Eigentlich kann es sich kein Staat in Europa mehr leisten, solche Alleskönner-Armeen zu unterhalten. Stattdessen müsste man sich verständigen, welche nationale Armee sich worauf spezialisieren soll - zumal niemand so genau weiß, wie die Einsätze der Zukunft aussehen, was man besonders dringend benötigen wird. Und tatsächlich gibt es Ansätze, Kooperationen - doch zumindest die größeren Nationen sind noch nicht bereit, militärische Fähigkeiten und damit Souveränität aufzugeben.

Wie wenig von echter Zusammenarbeit die Rede sein kann, zeigt das Beispiel der Kampfdrohnen. Erst haben die Europäer die Entwicklung verschlafen, nun wollen sie gemeinsam eine Drohne bauen, was aber dauern wird. In der Zwischenzeit besorgen sich die einzelnen Staaten aus den USA oder Israel das Modell, das ihnen am besten ins Konzept passt.

Möglicherweise wird es nie eine europäische Armee geben, in jedem Fall ist der Weg noch sehr lang. Trotzdem muss man ihn weitergehen. Denn Breite vor Tiefe führt in die Mangelverwaltung. Für Breite und Tiefe hingegen fehlt das Geld. Oder der politische Wille, es auszugeben.

Wobei man schon die jetzige Bundeswehr mit ihren 75 Prozent Panzerausstattung kaum ohne zusätzliches Geld erhalten kann. An dieser Stelle folgt stets der Einwand, das Ministerium habe es aber in den letzten Jahren nicht geschafft, das bewilligte Geld auszugeben - stattdessen seien Milliarden zurückgeflossen.

Der öffentliche Umgang mit dem Thema Bundeswehrfinanzierung ist schizophren

Das ist einerseits richtig, führt aber andererseits in die Irre: Nicht ausgeschöpft wurden die Mittel für Neubeschaffungen, unter anderem wegen Verzögerungen in der Produktion. Doch erstens wird das Geld in den kommenden Jahren noch fällig, und zweitens ist viel zu wenig Geld dafür da, das bereits vorhandene Material zu erhalten. Klingt öde, ist aber essenziell, wenn man nicht ständig kaputte Flugzeuge, Hubschrauber oder Schiffe melden will.

Der öffentliche Umgang mit diesem Thema ist schizophren: Man gießt Spott und Häme über die marode Truppe aus, winkt aber empört ab, wenn es darum geht, die aktuellen Zustände mit mehr Geld zu verbessern. Die Frage, welche Bundeswehr man braucht und will, geht deshalb nicht nur die Fachöffentlichkeit an. Sondern auch diejenigen, die mit der Truppe am liebsten nichts zu tun hätten.

© SZ vom 27.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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