Süddeutsche Zeitung

UN-Mission "Minusma":Bundeswehr zieht bis Mai 2024 aus Mali ab

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Bleiben, um zu gehen: Die Bundesregierung beschließt, den Einsatz in dem westafrikanischen Krisenstaat noch ein Mal zu verlängern, um ihn dann geordnet zu beenden - anders als in Afghanistan.

Von Daniel Brössler, Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski

Der letzte große Auslandseinsatz der Bundeswehr mit mehr als 1000 Soldaten steuert auf ein Ende zu. Die Bundesregierung will die Beteiligung an der UN-Stabilisierungsmission Minusma im westafrikanischen Mali auslaufen lassen. Dem Bundestag soll vorgeschlagen werden, das Mandat, das noch bis 31. Mai 2023 gilt, letztmalig zu verlängern. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte am Abend: "Im Mai 2024 wird dieser Einsatz beendet." Der Abzug solle bis dahin "sehr koordiniert, mit einem sehr klaren Plan" erfolgen. Die Entscheidung ist das Ergebnis eines Spitzengesprächs von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Lambrecht und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag im Kanzleramt in Berlin.

Berlin folgt damit dem Beispiel anderer europäischer Nationen wie Frankreich, Großbritannien und Schweden, die wegen anhaltender Spannungen mit den malischen Machthabern ihre Truppen entweder schon aus dem Land abgezogen oder diesen Schritt angekündigt haben. Die Bundeswehr ist mit bis zu 1400 Soldatinnen und Soldaten derzeit noch in Mali im Einsatz. Es ist der letzte große Auslandseinsatz nach dem überhasteten Abzug aus Afghanistan im Jahr 2021, der in einem Debakel endete.

Die Mission in Mali stand seit Monaten auf der Kippe. Im Mai 2021 hatte das durch die internationale Hilfe unterstützte Militär die Übergangsregierung entmachtet. Es war der zweite Militärputsch in kurzer Zeit. Das Klima gegenüber den westlichen Verbündeten hat sich verändert. Die Militärjunta hat russische Söldner ins Land geholt, die einen brutalen Antiterrorkampf ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung führen. Wahlen werden hinausgezögert.

Die deutsche Aufklärungsdrohne flog Anfang Oktober zum letzten Mal

Die Bundeswehr beklagt Schikanen seitens der Machthaber in Mali. Flüge, die dazu dienten, das Personal routinemäßig auszutauschen, wurden in der Vergangenheit wiederholt untersagt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung konnte die deutsche Heron-Aufklärungsdrohne, die maßgeblich dazu beiträgt, das Lagebild für die Stabilisierungsmission Minusma zu erstellen, seit anderthalb Monaten nicht eingesetzt werden. In einem als vertraulich eingestuften Bericht vom 18. November, der dem Parlament zuging und der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: Die Drohne habe "aufgrund fehlender malischer Fluggenehmigungen" weiterhin nicht abheben können. Dem Bericht zufolge wurde die Drohne letztmalig am 11. Oktober eingesetzt.

Ein geordneter Abzug dürfte nach Einschätzung von Militärexperten mindestens sechs bis neun Monate in Anspruch nehmen. Waffen und sensibles Gerät müssen nach Deutschland zurückgebracht werden. Die Bundeswehr unterhält in Gao ein großes Camp. Beim Afghanistan-Abzug hatte sich zudem gezeigt, dass nicht früh genug daran gearbeitet wurde, auch Ortskräfte, lokale Helfer der Bundeswehr, mit auszufliegen. Tausende von ihnen blieben in dem Land zurück, weil Deutschland in Afghanistan vom Zusammenbruch des Landes überrascht wurde. Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Bundestages, hatte früh darauf hingewiesen, dass sich dies in Mali nicht wiederholen dürfe.

Der Entscheidung zum Abzug war ein hartes Ringen zwischen Außenministerium auf der einen und Verteidigungsministerium sowie Kanzleramt auf der anderen Seite vorausgegangen. Kanzler Scholz hatte nach dem Überfall auf die Ukraine die Prioritäten für die Bundeswehr neu gesetzt und unterstützte die Linie Lambrechts. Der Landes- und Bündnisverteidigung habe sich von nun an alles andere unterzuordnen, sagte er. Ein militärisches Operieren erschien in Mali kaum mehr möglich.

Baerbock wollte an der Mission festhalten

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock wollte dagegen möglichst an der Stabilisierungsmission festhalten. Sie betonte die internationale Verantwortung Deutschlands. Chaos und eine Ausbreitung des Terrorismus in der Sahel-Zone hätten direkte Auswirkungen auf Europa, bei der Migration und bei der Gefahr von Anschlägen. Auch afrikanische Länder und europäische Partner haben Baerbock gebeten, dass Deutschland sich weiter in Afrika engagiert und an dem Einsatz der Vereinten Nationen beteiligt. Sie hatte dies allerdings immer unter den Vorbehalt gestellt, die Sicherheit der deutschen Soldaten müsse gewährleistet sein.

Deutschland beteiligt sich zudem an einem Prozess der Vereinten Nationen, mit dem das Mandat des UN-Sicherheitsrates überarbeitet wird. Von den UN verlangte die Bundesregierung, die Übergangsregierung in Mali zu drängen, die Operationen der Minusma-Operation nicht zu behindern. Baerbock bemühte sich zudem darum, dass nach dem Abzug Frankreichs andere Länder Beiträge zum Schutz der UN-Truppe stellen.

Die Sicherheitslage in Mali hatte sich seit Längerem verschlechtert. Im Sommer 2021 wurden bei einem Sprengstoffanschlag auf eine Patrouille zwölf deutsche Soldaten und ein belgischer Soldat teils lebensgefährlich verletzt. Im Juli 2017 kamen beim Absturz eines Tiger-Kampfhubschraubers wegen technischer Probleme zwei deutsche Soldaten ums Leben.

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