Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Explosive Informationen

In einer Sondersitzung geht der Verteidigungsausschuss der Frage nach, wann Ministerin Kramp-Karrenbauer von der Munitionsaffäre beim Kommando Spezialkräfte wusste. Die Antworten bleiben dürftig.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der kreisrunde Saal, in dem der Verteidigungsausschuss Corona-bedingt tagt, Raum 3.1o1 im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, der treibt so manchem Abgeordneten an diesem Montag ein spitzbübisches Grinsen ins Gesicht. Hier hat schon die Vorgängerin von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, schwierige Stunden erlebt. Die Vergangenheit hatte die Parteikollegin im Februar 2020 eingeholt, es ging um rechtswidrige Auftragsvergaben an externe Berater, das Geld saß ziemlich locker. In diesem Saal tagte ein Untersuchungsausschuss und von der Leyen war die letzte Zeugin.

Am Montag, um 14.04 Uhr, tritt Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Fahrstuhl. Sie ist nicht als Zeugin geladen, dies ist auch kein Untersuchungsausschuss, sondern eine Sondersitzung. Was aber an damals erinnert: Auch Annegret Kramp-Karrenbauer hat nun als Chefin des Verteidigungsressorts eine Affäre am Hals. Am Ende des Tages wird sie beteuern, nicht die Unwahrheit gesagt zu haben.

Es geht um die Missstände im Kommando Spezialkräfte (KSK). Kramp-Karrenbauer hat versprochen aufzuräumen; mit dem "eisernen Besen" sogar. So hatte sie das im Sommer 2020 formuliert, als die Probleme unübersehbar geworden waren. Eine Reihe rechtsextremistischer Vorkommnisse hatte das KSK über Jahre in Verruf gebracht. Als im Mai 2020 im Garten eines KSK-Soldaten Waffen und Munition gefunden worden waren, stand sogar die Frage im Raum, ob innerhalb der Bundeswehr rechtsterroristische Strukturen existieren.

"Wer wusste wann was" ist die wichtigste Frage

Kramp-Karrenbauer griff durch, sie ließ damals die 2. Einsatzkompanie auflösen, in der die Umtriebe ihren Ausgangspunkt hatten. Sie verließ sich bei der eilig eingeleiteten Reform auf KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr, 53, der 2018 den Verband übernommen hatte. Mit ihm an ihrer Seite wollte sie das KSK neu aufbauen.

Dann aber stellte sich heraus, dass Kreitmayr im März vergangenen Jahres eine Art Amnestie für alle aussprach, die illegal beiseite geschaffte Munition zurückgeben würden. Denn Namen wurden nicht erfasst. Das Ergebnis: Zehntausende Schuss, teils scharfe, teils harmlosere Übungsmunition wurden, so die Ermittlungen, "einheitsweise, geschlossen" in den folgenden Wochen abgeliefert. Die Aktion fiel in eine Zeit, als etwa 20 KSK-Soldaten wegen rechtsextremer Vorfälle unter Verdacht standen und wurde erst Ende Mai 2020 vom Vorgesetzten Kreitmayrs beendet. Gegen Kreitmayr laufen disziplinarrechtliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

Es gab frühe Einschätzungen von Rechtsberatern, welche die Aktion für mindestens beispiellos, wenn nicht gar für rechtswidrig hielten. Aber Kramp-Karrenbauer versicherte immer wieder, erst im Februar 2021 von der Aktion erfahren zu haben - aus der Presse.

So recht glauben will die Opposition das nicht. An diesem Montag dürfte dies die häufigste Fragen sein, die von Abgeordneten gestellt wird: "Wer wusste wann was?"

Eine Handvoll Generale muss den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Es kommt heraus, dass auch Kramp-Karrenbauers Staatssekretär Gerd Hoofe, der schon von der Leyen diente, bereits im Juni 2020 von der fragwürdigen Aktion gewusst haben soll. Er ist damit der zweite Mann an der Hausspitze, der früh informiert war. Generalinspekteur Eberhard Zorn, ihr ranghöchster Soldat, war im Mai 2020 in Kenntnis gesetzt worden und hielt diese Erkenntnis später aus einem Bericht ans Parlament heraus. Dafür hatte er sich bereits entschuldigt.

Die Grünen sprechen von "Chaostagen"

Hoofe gab die Info seinen Ausführungen nach ebenfalls nicht an die Ministerin weiter. Aber das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Nachrichtendienste kontrolliert, informierte er. So viel zu Kramp-Karrenbauers unmittelbarem Umfeld, dort, wo eigentlich ihre Vertrauten sitzen sollten. Aber sie, das wiederholt sie nach der Sitzung, erfuhr erst aus der Zeitung davon und sei "nicht vorher informiert gewesen". An dieser Darstellung hätte der heutige Tag auch nichts geändert.

Die Opposition kritisierte die Ministerin scharf für die Versäumnisse im Haus. Tobias Lindner von den Grünen sprach von "Chaostagen" im Ministerium. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bezeichnete es als "Armutszeugnis", wenn die Ressortchefin über solche Vorgänge nicht informiert würde. Die Sitzung soll am 3. Mai fortgesetzt werden.

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