Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen IS:Was die Krise für den Bundeswehr-Einsatz im Irak bedeutet

Einige deutsche Soldaten haben das Land bereits verlassen. Wie es weitergeht, hängt nun von der Regierung in Bagdad ab. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der Militärtransporter A 400 M landete um 6.55 Uhr deutscher Zeit auf dem jordanischen Luftwaffenstützpunkt Al-Azraq. An Bord, neben der Besatzung, 32 Bundeswehrsoldaten, die nahe Bagdad irakische Soldaten ausgebildet haben. Drei weitere Soldaten sind mit einer anderen Maschine über Nacht nach Kuwait ausgeflogen worden, in ein Ersatzhauptquartier der Mission. Für all diese Männer und Frauen endete vorerst der Einsatz im Irak.

Nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch das US-Militär auf irakischem Boden ist die Sicherheitslage in Bagdad und Umgebung äußerst angespannt. Im kurdischen Erbil, im Nordirak, ist die Situation eine andere. Noch. 117 deutsche Soldaten sind dort ebenfalls auf Ausbildungsmission. Auch wenn das Training vorübergehend ausgesetzt ist, sollen sie bleiben. Deutsche Soldaten sind im Irak seit 2015 Teil einer internationalen Allianz im Kampf gegen die Terrormiliz IS, doch die Zukunft des Einsatzes ist ungewiss. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie bedrohlich ist die Lage für die deutschen Soldaten?

Das Verteidigungsministerium kommt einer Weisung aus der Missionsführung vom Sonntag nach. Demnach sind die beteiligten Nationen aufgefordert worden, aus Sicherheitsgründen alle nicht benötigten Kräfte aus dem Großraum Bagdad abzuziehen. Dies betraf im Fall der Bundeswehr drei Soldaten, die direkt in der Hauptstadt stationiert waren, sowie 32 Männer und Frauen, die im Militärkomplex Tadschi, 27 Kilometer nördlich, untergebracht waren. In den vergangenen Tagen waren mehrfach Raketen in der Hauptstadt eingeschlagen. Zum Jahreswechsel hatten Hunderte Demonstranten die US-Botschaft in der Hauptstadt Bagdad attackiert und versucht, das Gelände zu stürmen. Nach der gezielten Tötung des iranischen Generals hat Teheran mit Vergeltung gedroht. Aber auch in der irakischen Bevölkerung kocht Wut hoch - und richtet sich vor allem gegen die Amerikaner. Tagesaktuell soll entschieden werden, wie es weitergeht.

Im Kampf gegen die Terrormiliz IS waren die ausländischen Truppen willkommen. Sind die das immer noch?

Genau dies versucht Berlin in Gesprächen mit Bagdad herauszufinden. Grundlage des Bundeswehreinsatzes im Irak ist die Einladung der irakischen Regierung und der Rückhalt im Parlament. Das Parlament hatte am Sonntag jedoch den Abzug der etwa 5000 im Land stationierten US-Soldaten und aller übrigen ausländischen Truppen gefordert. Die Frage ist, wie nun die Regierung damit umgeht. Der ohnehin geschwächte Ministerpräsident Adil Abd-al Mahdi ist nach Protesten gegen seine Regierung nur geschäftsführend im Amt. Hat er die Autorität, eine solch weitreichende Entscheidung durchzusetzen?

Was die Bundeswehr angeht, hatte Bagdad bislang großen Wert darauf gelegt, dass sich Deutschland nicht nur im kurdischen Norden sondern auch im Zentralirak mit Soldaten engagiert und hilft, die irakische Armee zu stärken. In einem gemeinsamen Schreiben an die Obleute im Verteidigungsausschuss betonten Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), dass die internationale Gemeinschaft im Irak weiterhin wichtige Beiträge "zur Stabilität und Einheit" des Landes leisten könne. Kanzlerin Angela Merkel hat am Montag in einem Gespräch mit Iraks Premier für eine weitere Zusammenarbeit geworben.

Wie erfolgreich war der Einsatz der Deutschen bisher?

Das Engagement Deutschlands war vor allem in der Anfangszeit wichtig. Berlin hat den kurdischen Peschmerga im Nordirak Waffen geliefert und sie daran ausgebildet. So sind die Kämpfer überhaupt erst in die Lage versetzt worden, sich gegen den Feind IS stellen zu können. Gerade die Peschmerga haben Fortschritte gemacht. Der Einsatz ist mittlerweile über die Nothilfe hinausgewachsen. Von Al-Azraq aus fliegen deutsche Aufklärungsjets über Syrien und dem Irak und liefern hochauflösende Bilder für Einsätze am Boden. Die Ausbildung im Zentralirak kam erst spät dazu, als der IS im Irak schon als geschlagen galt. Nun werden auch in Tadschi Grundlagen vermittelt: Sanitätsdienst, Logistik, ABC-Abwehr, Truppenführung. Kramp-Karrenbauers Vorgängerin, Ursula von der Leyen, wollte eine "Brücke zwischen dem Nordirak und dem Zentralirak" schlagen, um das Land in seiner Gesamtheit für den Wiederaufbau zu stärken.

Was wird aus dem Kampf gegen den IS, wenn die Truppen abziehen?

Der IS gilt zwar als militärisch geschlagen. Besiegt ist er aber nicht. Gehen die ausländischen Truppen, droht ein Wiedererstarken. Die IS-Kämpfer haben ihre Hochburgen verloren und sich in den Untergrund zurückgezogen. Von dort aus werden sie aktiv. Maas und Kramp-Karrenbauer berichten an die Abgeordneten, Anschläge des IS in den letzten Tagen zeigten, "dass dieser Kampf noch nicht entschieden ist". Ein "wichtiges deutsches und europäisches Sicherheitsinteresse" sei von der Destabilisierung berührt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4747362
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.01.2020/cck
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.