Bundeswehr in Afghanistan:Ruhe nach dem Sturm

Der Bericht zum umstrittenen Angriff auf zwei Tanklastzüge liegt im Verteidigungsministerium. Seit dem Zwischenfall erlebt die Bundeswehr in Afghanistan erstaunlich friedliche Wochen - und bleibt angreifbar.

Stefan Kornelius

Der Untersuchungsbericht der Nato über das Bombardement zweier Tanklastzüge vor dem deutschen Feldlager in Kundus ist inzwischen verfasst und befindet sich auf dem Weg durch die Militärhierarchie zu Admiral James Stavridis, dem Nato-Kommandeur. Der neue Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, wird ihn bald als Morgengabe auf seinem Schreibtisch finden.

Bundeswehr in Afghanistan: Ein Bundeswehrsoldat in Afghanistan.

Ein Bundeswehrsoldat in Afghanistan.

(Foto: Foto: ddp)

Die Soldaten der Bundeswehr in Kundus freuen sich unterdessen über einen Effekt des vom deutschen Kommandeur angeordneten und vielfach kritisierten Bombardements: Es ist ruhig geworden im Norden Afghanistans, relativ ruhig. Seit der Bombardierung der Tanklastzüge am 4. September hat das Kommando in der Taliban-Hochburg Kundus fünf Feuerüberfälle auf deutsche Nato-Einheiten registriert. In den Monaten davor war fast jeden zweiten Tag geschossen worden.

Offenbar Taliban-Anführer getötet

Offen stellt niemand einen Zusammenhang her zwischen dem vom deutschen Kommandeur in Kundus befohlenen Luftangriff und der neuen Sicherheitslage, aber ein paar Indizien sprechen für sich: Der Telefonverkehr der Taliban-Anführer in der Region sei deutlich zurückgegangen, einige Kommandeure seien nicht mehr aufgetaucht, heißt es in Sicherheitskreisen.

Es liegt also die Vermutung nahe, dass Anführer der Taliban bei dem Bombardement getötet wurden. Dafür spricht auch die schnelle Gratulation des Gouverneurs von Kundus, Mohammad Omar, der nach dem Angriff wissen ließ, es habe wichtige Anführer aus dem Kreis der Aufständischen getroffen.

Auffällig ist außerdem, dass die verbliebenen Taliban-Gruppen schlecht koordiniert sind. "Offenbar sind sie erst dabei, neue Strukturen zu schaffen", sagt ein Sprecher der Bundeswehr. Und schließlich laufen die gezielten Operationen der Spezialkräfte der Nato - meist amerikanische Special forces oder deutsche KSK-Einheiten - regelmäßig ins Leere. Zwar suchen diese Einheiten fast jede Nacht gezielt nach Führungsfiguren des Aufstands, aber meist sind die Verstecke geräumt. Offenbar wechseln die verbliebenen Taliban-Führer alle paar Stunden den Aufenthaltsort.

Zufällige Angriffe

Die letzten drei Angriffe auf Bundeswehr-Konvois - am 20., am 10. und am 5. Oktober - werden von den Analysten eher als Zufallsprodukt eingestuft, auch wenn die Aufständischen mit Granaten und in einem Fall sogar mit 62-mm-Raketen geschossen hatten. Nato-Soldaten kamen bei den Feuergefechten nicht zu Schaden, ein Fuchs-Transportpanzer wurde von einer Granate getroffen und schwer beschädigt.

Geheimdienstkreise warnen gleichwohl vor einer Unterschätzung. Nach wie vor gilt der Norden Afghanistans als Achillesferse des Nato-Einsatzes im gesamten Land. In einer Region, halb so groß wie die Bundesrepublik, sollen 6000 Nato-Soldaten, 8000 afghanische Soldaten und 12.000 lokale Polizisten für Sicherheit sorgen. Von den 4200 Soldaten der Bundeswehr sind etwa 3000 mit unterstützenden Aufgaben betraut und verlassen in der Regel das Lager nicht.

Auch wenn die Taliban zurzeit ein Organisationsproblem im Norden haben sollten, so steht die Kampfansage, nun die Stichwahl mit Attentaten stören zu wollen. Der Überfall am Mittwoch in Kabul gilt als Auftakt. Unklar ist, ob wegen der heftigen Kämpfe der letzten Tage im Süden die Taliban in die paschtunischen Hochburgen im Norden ausweichen. Nach wie vor gilt in Sicherheitskreisen die Analyse, dass die geringe Truppenzahl im Norden die Nato besonders angreifbar macht. Würde Deutschland zu einem Rückzug gezwungen, dann geriete der ganze Isaf-Einsatz ins Wanken.

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