Bundeswehr in Afghanistan:Krieg, Kritik und Angst

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Der Krieg in Afghanistan ist mit Bomben nicht zu gewinnen. Mit der Tabuisierung von Kritik erst recht nicht.

Heribert Prantl

Ein altes Wort ist erwacht. Es hat sich den Staub aus dem Wams geklopft, es ist, vorbei an den alten Kriegerdenkmälern, erst nach Berlin und von dort nach Afghanistan marschiert.

Gefährlicher Einsatz: Die Bundeswehr in Afghanistan (Foto: Foto: ddp)

Es hat erst dem Kanzler Schröder, später auch der Nachfolgerin Angela Merkel die Hand geschüttelt. Es ging hin zum CDU-Fraktionschef, zum SPD-Fraktionschef, zum salutierenden FDP-Parteivorsitzenden und zu den etwas verlegenen Grünen.

Es redete lange mit ihnen, auf dass sie nicht wankelmütig werden. Das Wort heißt Tapferkeit. Und dieses Wort dekoriert den Krieg. Deutschland soll, Deutschland muss tapfer sein. So sagt es der Verteidigungsminister in die Mikrofone, so diktiert er es in die Notizblöcke, so ruft er auf zur Standhaftigkeit gegen den Terrorismus. Im Nachgang dieser Standhaftigkeit sind soeben wieder deutsche Soldaten in Kundus gefallen.

Die unaufdringliche Tapferkeit, wie sie der deutsche Soldat vor dem Afghanistan-Krieg gelobt hatte, wenn er versprach "der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen", sie reicht angeblich hinten und vorne nicht mehr aus.

Die neue Tapferkeit

Wenn es in den Hindukusch und gegen die Terroristen geht, wird eine andere Tapferkeit gefordert, nicht nur von den Soldaten, sondern von den Politikern: Sie sollen den kriegskritischen Stimmungen in der Bevölkerung widerstehen, immun sein gegen Protestbriefe aus den Wahlkreisen. Sie sollen sich immer dann, wenn sie wieder Bilder von zerbombten Dörfern und zerfetzten Kindern sehen, die Aufnahmen von den Twin Towers vom 11. September 2001 vor Augen halten.

Bei außenpolitischen Notwendigkeiten könne es eine Gewissensentscheidung nicht geben, hat schon Kanzler Schröder erklärt, als er im Bundestag über den Beginn des Afghanistan-Einsatzes hat abstimmen lassen. Das also ist die neue Tapferkeit: Selbstimmunisierung gegen Zweifel.

Erich Kästner hat in den fünfziger Jahren, in den Zeiten der Wiederaufrüstung und Kommunistenangst, viel über falsche Tapferkeit geschrieben. Er vermisste Zivilcourage bei den Bürokraten, "die nichts als ihre Pflicht tun"; bei den Soldaten, "die nichts als ihre Befehle ausführen"; bei all den Kirchlichen, "die nichts weiter plappern können als ihre Ideologie".

Kästner hat damals die Parlamentarier vergessen, die nichts anderes tun als das, was ihnen Kanzler beziehungsweise Kanzlerin und Parteiführung vorschreiben. Zivilcourage: Das könnte die Tapferkeit der deutschen Politik sein, die Fortsetzung der Kriegsführung abzulehnen und dafür jegliche andere deutsche Kompetenz zur Terrorbekämpfung und Befriedung anzubieten.

Angst vor der Kritik

Als nach dem 11. September 2001 in Deutschland wie überall in der westlichen Welt gewaltige Sicherheitspakete geschnürt wurden, erklärte der Bundeskanzler, der Bürger müsse keine Angst haben. Seit dieser Zeit fördert die Bundesregierung aber eine Angst besonderer Art: die Angst vor jeder Kritik am Krieg in Afghanistan und an der Art und Weise, wie dieser geführt wird.

Kritik am Krieg und der Kriegsführung, die Fragen danach, wie lang denn noch gebombt werden soll und wie ein übergreifendes politisches Konzept aussieht, werden seit Jahren von der Bundesregierung behandelt, als handele es sich um Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Der Krieg in Afghanistan ist mit Bomben nicht zu gewinnen. Mit der Tabuisierung von Kritik erst recht nicht. Die deutsche Politik und die deutsche Gesellschaft müssen darüber reden, wie es in Afghanistan weitergehen soll. Wie soll es weitergehen - einfach weiter so?

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