Bundeswehr in Afghanistan:Führen im Krieg

Mit Franz Josef Jung hat erstmals in der Geschichte der Republik ein Minister im Krieg Kopf und Kragen verloren. Auch bei Guttenberg dominiert die Lust an der Macht.

Walther Stützle

Eine Premiere ist aufgeführt worden. Stück und Hauptdarsteller sind durchgefallen. Im Theater nichts Ungewöhnliches. In der Politik schon eher, zumal in der ernsthafteren. Zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte hat ein Minister im Krieg Kopf und Kragen verloren.

Bundeswehr in Afghanistan: "Wo Mut zur Verantwortung gefordert war, dominierte bei Guttenberg und Jung die Lust an der Macht":  Verteidigungsminister Guttenberg mit Soldaten in Kabul.

"Wo Mut zur Verantwortung gefordert war, dominierte bei Guttenberg und Jung die Lust an der Macht": Verteidigungsminister Guttenberg mit Soldaten in Kabul.

(Foto: Foto: AP)

Die von Franz Josef Jung wesentlich mitinszenierten afghanischen Irrungen und Wirrungen beraubten diesen Minister erst seines politischen Verstandes, dann seines Amts. Und weil sein Nachfolger die Wahrheit zu überlisten versuchte und den Platz des Vorgängers am Kabinettstisch durch die Preisgabe Untergebener zu retten trachtete, ist auch er in den Strudel geraten. Wer seine Amtszeit an der Spitze des verflixt schwierigen Verteidigungsministeriums mit einem so gravierenden Irrtum, einer derartigen Fehleinschätzung, beginnt, wird es nicht leicht haben.

Unkalkulierbares Auf und Ab

Wo Mut zur Verantwortung gefordert war, dominierte bei Guttenberg und Jung die Lust an der Macht. Auf deren Altar opferten sie Wolfgang Schneiderhan, seit dem großen Ulrich de Maizière der bedeutendste Generalinspekteur der Bundeswehr, sowie Peter Wichert, einen der erfahrensten Staatssekretäre der Verteidigung. Doch gemach, beide werden wiederkommen - als Zeugen im Untersuchungsausschuss, und ihre Auskünfte werden für die Republik wichtig sein. Warum?

Weil Deutschland sich in einen Krieg verstrickt hat, den die Verantwortlichen zwar so nicht benennen wollen, dessen Gesetzmäßigkeiten aber längst die Politik bestimmen und prägen. Und dessen unkalkulierbares Auf und Ab den Blick der Amtsinhaber für das ihnen anvertraute Ganze zu trüben scheint.

Spätestens im Untersuchungsausschuss wird man wohl erfahren, wie aus einem tragischen Unglück in Kundus ein peinlicher politischer Unfall in Berlin wurde. Missmanagement ist dafür die moderne Bezeichnung, mangelndes Gespür der Minister für die politische Dimension der eigentliche Kern. Höchst unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die beiden Entlassenen die Delikatesse des afghanischen Dramas nicht erkannt oder gar den Ministern verschwiegen haben.

Nicht zugehört, nicht nachgefragt

Wahrscheinlicher, dass der damals wahlkämpfende Ressortchef Jung und sein später vom persönlichen Wahlsieg verwöhnter Nachfolger nicht zugehört, also auch nicht nachgefragt haben. Jung hatte wohl noch immer nicht begriffen, wie schwierig dieses Amt ist, Guttenberg noch nicht. Womit aber werden wir zu rechnen haben, wenn erst eine Krise zu meistern ist, die nach Dimension und Zerstörungskraft die Bezeichnung wirklich verdient? Zum Beispiel im Falle zunehmender Angriffslust der Taliban. Oder eines großen Unfalls beim Lufttransport im Kriegsgebiet. Oder im Fall eines Rückzugs aus unhaltbarer Stellung. Oder, oder, oder.

Im Vergleich zum Verteidigungsministerium ist das Gesundheitsressort eine Feiertagsbeschäftigung; trotz der Partisanengefahr aus der Pharmaindustrie. Die Verantwortung, die jeder Minister hat, plus die unteilbare Verantwortung des Verteidigungsministers als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt - beides ergibt eine Doppelbelastung, die keinen Urlaub kennt, auch nicht im Urlaub. Die einzige Garantie, die jeder Amtsinhaber hat, ist, dass er für alles verantwortlich gemacht wird, was minütlich in seinem Beritt passiert.

Auswirkungen des verheerenden Krisenmanagements

Ministerpräsidenten, auch linke, protegieren die Standorte in ihrem Land, wegen der Arbeitsplätze. Firmen versuchen, Aufträge zu erjagen, selbst solche, die sie überfordern (wie Airbus derzeit beim Transportflugzeug A-400 M demonstriert, wo der Hersteller weder Kosten noch Terminzusagen einhält). Und Abgeordnete drängen darauf, dass möglichst viel Geld in ihren Wahlkreis fließt, selbst dann, wenn sie im Bundestag gegen den Verteidigungsetat gestimmt haben. Bei den für eine Koalition wichtigen Fragen orientiert sich eine Kanzlerin wiederum am Außenminister oder Vizekanzler; der gehört in der Regel dem Koalitionspartner an und ist zum Erhalt der Macht unentbehrlich.

Walther Stützle; oh

Walther Stützle, 68, war von 1998 bis 2002 Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Er lehrt Sicherheits- und Verteidigungspolitik an der Universität Potsdam.

(Foto: Foto: oh)

Hinzu kommt ein reichlich volles internationales Pflichtprogramm, mit Terminen in Europa, bei der Nato und an den mittlerweile zahlreichen internationalen Einsatzorten der Bundeswehr. Kurz: Jedem Amtsinhaber ist Schwerstarbeit gewiss, und mit Tricks zwecks Machterhalt ist das Haus nicht zu führen. Zumal in seiner unsinnigen Zweiteilung zwischen Bonn und Berlin.

Vertrauen in die Expertise des Hauses

Ungezählt sind die zwischen Bundesstadt Bonn und Bundeshauptstadt Berlin verschwendeten Reise-Stunden, damit Beamte oder Soldaten an Ausschuss-Sitzungen teilnehmen können, die dann kurzfristig abgesagt werden. Und nur Technikfreaks mögen glauben, dass Videokonferenzen sich für Themen eignen, die des bohrenden, beharrlichen Nachfragens von Angesicht zu Angesicht bedürfen; von vertraulichen Personalkonferenzen und -entscheidungen ganz zu schweigen.

Für den Führungserfolg ist das Vertrauen des Ministers in die Expertise des Hauses ebenso wichtig wie die Fähigkeit, politische Autorität durch kundige Amtsführung nachzuweisen. Zumal alles öffentlich ist oder wird, wofür nicht zuletzt politische Freunde und Neider sorgen; im Fall der Kundus-Tragödie mag noch Geschwätzigkeit hinzukommen, die aus Schadenfreude bei dem einen oder anderen Alliierten resultiert.

Aufgewühltes Wasser

Schließlich erwarten Soldaten und Zivilisten, dass "ihr" Minister sich um sie kümmert, vor allem aber, dass er sie in schwierigen Zeiten nicht hängen lässt. Genau das aber tat Jung - und Guttenberg hat diese Todsünde gleich zu Beginn seiner Amtszeit begangen; daran ändert auch seine Bekundung nichts, den früheren Kommandeur in Kundus, Oberst Klein, nicht fallen zu lassen.

Die Auswirkungen dieses verheerenden Krisenmanagements sind schon spürbar. Eine Brandung ist entstanden, die bereits an den Schutzmauern des Kanzleramts zu züngeln beginnt. Wasser, zumal aufgewühltes, findet immer einen Weg in die Hohlräume. In der Finanzkrise hatte Merkel ihren Steinbrück.

Das Ergebnis ist bekannt: Dessen Verdienste wurden ihr gutgeschrieben - vom Wähler. In Sachen Afghanistan hatte sie Franz Josef Jung, der wiederum von den nun Entlassenen, Staatssekretär Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan, geschützt wurde. Nun hat sie Guttenberg und dessen erste Fehleinschätzung. Und einen Untersuchungsausschuss. Der wird sich letztlich auch mit ihr befassen. Und mit dem Thema: Führen im Krieg.

Walther Stützle, 68, war von 1998 bis 2002 Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Er lehrt Sicherheits- und Verteidigungspolitik an der Universität Potsdam.

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