Bundeswehr in Afghanistan:Erkenntnis - ins Bewusstsein gebombt

Zehn Mal Zustimmung, aber immer weniger Zuversicht: Noch einmal wird der Bundestag das Afghanistan-Mandat verlängern - das letzte Mal?

Daniel Brössler

Als die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 22. Dezember 2001 die Entsendung von 1200 deutschen Soldaten nach Afghanistan beschlossen, taten sie es in der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft am Hindukusch. In trauriger Kontinuität haben sie das seitdem Jahr um Jahr wiederholt. Die Truppenstärke ist in dieser Zeit größer, die Hoffnung auf Frieden kleiner geworden.

Zum zehnten Mal stimmen die Abgeordneten an diesem Freitag über den Bundeswehr-Einsatz ab. Doch diesmal ist es anders. Diese Mandatsverlängerung markiert das, was in den vergangenen Jahren immer nur vorgetäuscht wurde - einen Wendepunkt. Das hat drei Gründe, die sich mit drei Städtenamen verbinden: Kundus, London und Den Haag.

Der Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklaster bei Kundus hat den Krieg in Afghanistan ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gebombt.

Abschied vom Selbstbetrug

Auch zuvor schon haben die Deutschen den Einsatz der Bundeswehr mehrheitlich abgelehnt. Erst der verhängnisvolle Befehl des Oberst Klein und dessen Verantwortung für den Tod von Zivilisten hat das Geschehen in Afghanistan auch gefühlt zur Sache der Deutschen gemacht. Das zwang die Politik zum Abschied vom Selbstbetrug, dass ein militärischer Auslandseinsatz auf Dauer gegen die eigene öffentliche Meinung durchzuhalten ist.

Von dieser Erkenntnis führte der Weg zur Konferenz nach London. Es ist viel von einem Strategiewechsel die Rede gewesen und davon, dass die Afghanen künftig in die Pflicht genommen werden. Und tatsächlich hat die Weltgemeinschaft in London mehr zivile Hilfe versprochen und hat sich Präsident Hamid Karsai zu größeren eigenen Anstrengungen verpflichtet.

In Wahrheit aber ging es nicht um neue Hoffnung für die Menschen in Afghanistan.

Adressat war die Öffentlichkeit in den Staaten, die Soldaten nach Afghanistan geschickt haben. Ihnen wurde in London ein Versprechen gemacht: Es geht nicht immer so weiter in Afghanistan, von jetzt an ändert sich was.

Ohne dieses Versprechen wäre die Verlängerung des Einsatzes in Deutschland gar nicht mehr durchzusetzen. Es ist dies eine Erkenntnis, die Kanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und seinen Vorgänger Frank-Walter Steinmeier vereint.

Mehr ziviler Aufbau, mehr Ausbildung und die oft beschworene Abzugsperspektive sind der Kitt der christ-liberal-sozialen Afghanistan-Koalition. Diese garantiert noch einmal eine ordentliche Mehrheit für die Mandatsverlängerung.

Säule der deutschen Afghanistan-Politik wankt

Auf den Weckruf aus Kundus und das Versprechen aus London folgte eine Warnung aus Den Haag. Die niederländischen Soldaten werden Afghanistan demnächst verlassen. An der Bitte der Nato, den schon länger beschlossenen Abzug noch einmal aufzuschieben, ist in Den Haag die Regierung zerbrochen. Die innenpolitischen Umstände, die dazu geführt haben, mögen speziell holländische sein - das Ende des niederländischen Einsatzes wirkt als Präzedenzfall.

Er besagt: Europäische Soldaten können auch dann aus Afghanistan heimgeholt werden, wenn die Arbeit dort nicht getan ist. Damit wankt eine Säule auch des deutschen Beitrags. Jene nämlich, dass der Einsatz nicht kopflos abgebrochen werden darf.

Mit einer dreifachen Botschaft hat sich die deutsche Afghanistan-Politik Zeit erkauft. Sie lautet: Der Einsatz wird nicht gefährlicher. Die Hoffnung auf Fortschritte ist begründet. Und 2011 beginnt der internationale Truppenabzug.

Allein: Die Bundesregierung hat Versprechen abgegeben, deren Einlösung sie gar nicht in der Hand hat. Das wissen auch die Abgeordneten, wenn sie an diesem Freitag der erneuten Verlängerung zustimmen. Sie werden das nicht mehr oft tun. Die Heimkehr der deutschen Soldaten rückt näher. Zu befürchten ist, dass sie die Hoffnung auf Frieden in Afghanistan dann mit nach Hause bringen.

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