Bundeswehr in Afghanistan:Die Öffentlichkeit belogen

Verteidigungsministerium und Bundeswehr haben die Wahrheit über die zivilen Opfer beim Luftangriff nahe Kundus verschwiegen. Die Opposition ist empört und fordert den Rücktritt des früheren Ressortchefs. Doch Franz Josef Jung will davon nichts wissen.

Daniel Brössler und Peter Blechschmidt

Verteidigungsministerium und Bundeswehr haben die Öffentlichkeit nach dem Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan getäuscht. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bestätigte am Donnerstag, dass der Bundeswehr schon am Tag des Angriffs, dem 4.September, interne Berichte über zivile Opfer vorlagen.

Jung, afp

Der frühere Verteidigungs- und jetzige Arbeitsminister Franz Josef Jung am Donnerstagabend in der eigens anberaumten Debatte im Bundestag.

(Foto: Foto: AFP)

Sein Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) hatte damals jedoch bestritten, dass es zivile Opfer gegeben habe. Jung lehnte einen Rücktritt ab. Die Opposition plant, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Durch die Affäre geraten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre schwarz-gelbe Regierung nur Wochen nach dem Start in Schwierigkeiten. Einen Tag nach dem Luftangriff hatte Jung erklärt: "Nach allen mir zur Zeit vorliegenden Informationen sind bei dem durch ein US-Flugzeug durchgeführten Einsatz ausschließlich terroristische Taliban getötet worden."

Erste personelle Konsequenzen gab Verteidigungsminister zu Guttenberg am Morgen im Bundestag bekannt. Wegen der zurückgehaltenen Informationen müssen sowohl der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, als auch Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert ihre Posten räumen. Ihnen wird vorgehalten, Guttenberg nicht über einen internen Bericht der Bundeswehr informiert zu haben.

Jung lehnte Rücktrittsforderungen der Opposition ab. Er habe Parlament und Öffentlichkeit stets korrekt informiert, sagte Jung am Abend im Bundestag. Dass es einen internen Bericht der Bundeswehr-Feldjäger gebe, wonach erste Meldungen über zivile Opfer schon am Abend des 4. September an das Einsatzführungskommando in Potsdam gegangen seien, habe er erst am 5. oder 6. Oktober erfahren.

Damals habe Schneiderhan ihn, Jung, um Erlaubnis gebeten, diesen Bericht der Nato-Untersuchungskommission zur Verfügung zu stellen. Dem habe er zugestimmt, jedoch ohne den Bericht gelesen zu haben.

Jung räumte ein, dass der Bericht der Feldjäger schon am 14. September über das Einsatzführungskommando an den Einsatzführungsstab im Verteidigungsministerium gelangt sei. Dieser Stab ist unmittelbar dem Generalinspekteur unterstellt.

Nach Darstellung der Bild-Zeitung geht aus dem Feldjäger-Bericht hervor, dass bereits am 4. September, dem Tag des Angriffes gegen zwei von Taliban gekaperte Tanklaster, Informationen über zivile Opfer an das Einsatzführungskommando in Potsdam übermittelt worden seien. Den Angriff hatte ein Bundeswehr-Oberst angefordert. In dem Bericht sei die Rede gewesen von "sechs Patienten im Alter von zehn bis zwanzig Jahren", die wegen des Luftschlags im Krankenhaus Kundus behandelt worden seien.

Zudem sei auf Nato-Informationen verwiesen worden, wonach Dorfbewohner gezwungen worden seien, mit Traktoren bei der Bergung der festgefahrenen Tanklaster zu helfen.

Guttenberg kündigte für diesen Freitag eine ausführliche Unterrichtung des Verteidigungsausschusses im Bundestag an.

Der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold drohte mit einem Untersuchungsausschuss, wenn diese Unterrichtung den Informationsbedarf des Parlaments nicht voll zufrieden stelle. Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff erklärte, wenn die Opposition dies verlange, sei die Union damit "sehr einverstanden". Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin blieb bei dem Vorwurf, Jung habe Öffentlichkeit und Parlament belogen. Er forderte, der Verteidigungsausschuss solle sich als Untersuchungsausschuss konstituieren. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi forderte Jung zum Rücktritt auf.

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