Bundeswehr in Afghanistan:Bomben bei Kundus

13 Wochen nach der Bombardierung von zwei Tanklastern bei Kundus gab es in Berlin ein politisches Erdbeben. Wie kam es dazu?

Eine Chronologie

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will erneut prüfen, ob ein Bundeswehr-Angriff in Afghanistan angemessen war - offenbar wurden Informationen vertuscht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan muss deswegen gehen. Was genau war passiert?

Bundeswehr in Afghanistan: Ein afghanischer Sicherheitsmann bewacht einen der ausgebrannten Tanklaster. Die Bundeswehr befahl die Bombardierung.

Ein afghanischer Sicherheitsmann bewacht einen der ausgebrannten Tanklaster. Die Bundeswehr befahl die Bombardierung.

(Foto: Foto: AP)

3. September 2009 Die Taliban entführen zwei Tanklastzüge in die Unruheprovinz Char Darah. Dort hat die Bundeswehr die militärische Kontrolle. Ein US-Flugzeug entdeckt die Laster sechs Kilometer südwestlich vom Stützpunkt des deutschen Wiederaufbauteams. Die Laster stecken in einem Sandbett fest.

Zwei F-15-Flugzeuge werden geschickt, um Live-Bilder an das deutsche Kommandozentrum zu übertragen.

4. September Um 01.39 Uhr befiehlt der deutsche Kommandeur Oberst Georg Klein zwei Bomben abzuwerfen, die je 227 Kilogramm wiegen. Am Morgen berichtet das Verteidigungsministerium, bei dem Anschlag seien 56 Taliban getötet und zwölf verletzt worden.

Dorfbewohner sprechen von mehr als 150 Toten, darunter viele Zivilisten. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) verteidigt Kleins Bombardierungsbefehl. Die deutschen Soldaten seien in einer konkreten Gefahrenlage gewesen.

5. September 2009 Die Bundeswehr schickt ein Untersuchungsteam. Auch Stanley McChrystal, der Oberbefehlshaber der US- und Nato-Truppen in Afghanistan, trifft am Ort des Geschehens ein. Andere Staaten, darunter Nato-Partner kritisieren den deutschen Angriff heftig. Die Deutschen hätten vor der Bombardierung ein Erkundungsteam schicken müssen.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, gegen Klein ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Sie gibt die Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft in Leipzig ab - dort hat Klein seinen Dienstsitz.

7. September Verteidigungsminister Jung geht erstmals davon aus, dass auch Zivilisten getötet worden sein könnten. Nato-Vertreter nehmen dies bereits als sicher an.

8. September Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauert mögliche zivile Opfer. Sie kritisiert zugleich Vorverurteilungen aus dem In- und Ausland.

11. September Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, sagt, die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan hätten sein Vertrauen. Er gehe davon aus, dass die Entscheidung für den Luftangriff das Ergebnis einer "sorgfältigen Beurteilung der Lage" gewesen sei.

13. September Eine Untersuchungskommission, die der afghanische Präsident Hamid Karsai einberufen hat, berichtet, es habe 99 Tote, darunter 30 Zivilisten, gegeben.

28. Oktober Verteidigungsminister Jung wird nach fast vier Jahren aus dem Amt verabschiedet. Aus Afghanistan trifft der Nato-Bericht zur Bombardierung ein.

29. Oktober Der Nato-Bericht gehe von 17 bis 142 Toten aus, sagt Schneiderhan. Es sei nicht bestätigt, dass Zivilisten dabei ums Leben kamen. Der Luftangriff sei militärisch angemessen gewesen. Schneiderhan äußert sich nicht dazu, ob die Bombardierung gegen die Regeln der Nato-Truppen in Afghanistan verstoßen hätte. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wird neuer Verteidigungsminister.

6. November Auch der neue Verteidigungsminister Guttenberg nennt die Bombardierung militärisch angemessen. Er erklärt, er habe keine Zweifel an der Einschätzung Schneiderhans. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden übergibt die Akte Klein der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Sie soll prüfen, ob der Angriff nach dem Völkerstrafrecht zulässig war.

26. November Die Bild-Zeitung berichtet, das Verteidigungsministerium habe Informationen zurückgehalten. Jung habe früher als bisher angenommen über mögliche zivile Opfer informiert sein müssen. Guttenberg gibt bekannt, dass Schneiderhan und der Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert zurückgetreten seien.

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