Bundeswehr im Inneren:Polizei und Militär - Hand in Hand

Kanzlerin Merkel befürwortet gemeinsame Übungen für "terroristische Großlagen". Was wie eine entschlossene Reaktion auf die jüngsten Attacken klingt, war ohnehin geplant.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Neun Punkte zählte Angela Merkel bei ihrer Pressekonferenz am Donnerstag auf, mit denen sie die Sicherheit in Deutschland verbessern will. Einer davon betraf den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Es sei "an der Zeit", sagte die Kanzlerin, "Übungen für terroristische Großlagen" abzuhalten, "bei denen auch die Bundeswehr mit eingebunden werden kann". Das klang nach einer entschlossenen Reaktion auf die jüngsten Anschläge - doch an dieser Ankündigung war nichts neu.

Bereits vor den Attacken hatte die Bundesregierung Mitte Juli nach langer Debatte das neue Bundeswehr-Weißbuch verabschiedet. Unter der Überschrift "Einsatz und Leistungen der Bundeswehr im Innern" heißt es darin: "Es ist wichtig, an den Schnittstellen der im Katastrophenfall zusammenarbeitenden Bundes- und Landesbehörden weiter an einer guten Zusammenarbeit zu arbeiten und diese im Rahmen von Übungen vorzubereiten. Hierauf muss im Rahmen einer gemeinsamen verantwortungsvollen Sicherheitsvorsorge in unserem Land Verlass sein."

Die gemeinsamen Übungen von Polizei und Bundeswehr waren also ohnehin schon vorgesehen. Hintergrund der etwas gewundenen Formulierung im Weißbuch ist ein längerer, teils heftiger Streit, den sich zuvor das CDU-geführte Verteidigungsministerium und das SPD-geführte Auswärtige Amt geliefert hatten. Das Verteidigungsministerium hatte eine Grundgesetzänderung ins Spiel gebracht, um Einsätze der Truppe im Inland zu erleichtern - das Auswärtige Amt hatte sich stellvertretend für den sozialdemokratischen Teil der Bundesregierung dagegen gesperrt. Am Ende setzte sich die SPD-Seite durch, eine Grundgesetzänderung wird es jedenfalls in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben. Allerdings erreichte das Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen ein anderes Ziel.

Die ersten Bundesländer haben bereits ihr Interesse am neuen Anti-Terror-Training angemeldet

Bereits während des Diskussionsprozesses hatten Militärkreise immer wieder vor einem bestimmten Szenario gewarnt: Wenn es zu einer terroristischen Großlage komme, werde der Ruf nach dem Einsatz der Truppe im Innern ertönen - ohne dass man das dann notwendige komplexe Zusammenspiel zwischen Polizei und Streitkräften je geübt hätte. Daher müssten solche Übungen nun dringend vorbereitet und angeschoben werden. Die Formulierung im Weißbuch, auf die sich auch Merkel bezog, ist das Ergebnis. Die ersten Bundesländer haben bereits ihr Interesse angemeldet: Baden-Württemberg und das Saarland. In dieser Woche erklärte darüber hinaus Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), die Polizei seines Bundeslandes solle nun mit der Bundeswehr den Anti-Terror-Einsatz üben.

Aber geht das rechtlich so einfach, die Bundeswehr im Innern einzusetzen? Ja, das geht. Auch hier haben sich Union und SPD auf eine Kompromiss-Formulierung geeinigt. Und zwar lässt das Grundgesetz den Einsatz der Streitkräfte "bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall" zu. Im Weißbuch heißt es dazu: "Das Vorliegen eines besonders schweren Unglücksfalls kommt auch bei terroristischen Großlagen in Betracht." Das Bundesverfassungsgericht habe bestätigt, dass die Truppe in einem solchen Szenario die Polizei unterstützen dürfe.

Wobei zu berücksichtigen bleibt: Bei keinem der Anschläge in der vergangenen Woche handelte es sich um eine "terroristische Großlage".

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