Bundeswehr im Baltikum:Deutsche Alarmrotte über Estland

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Seit wenigen Tagen sind vier "Eurofighter" und 160 Soldaten aus Deutschland in Estland stationiert. Im Nato-Auftrag sichern sie den baltischen Luftraum. Ein Besuch bei den deutschen Fliegern, die wegen der Ukraine-Krise nun in Osteuropa Dienst tun.

Von Christoph Hickmann, Ämari

Fast 1,6 Milliarden Euro teuer waren die 15 Eurofighter. Die Folgekosten schätzte der Rechnungshof in Wien 2013 auf eine weitere Milliarde Euro. (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Der Kampfjet schiebt sich von rechts hinten in Sicht, kommt schnell näher, dann hält er den Abstand. Auch auf der linken Seite ist ein Eurofighter aufgetaucht, die beiden Jets haben die Luftwaffen-Maschine vom Typ Global 5000 in ihre Mitte genommen.

Nur noch wenige Meter trennen die Flügelspitzen, die drei Maschinen fliegen jetzt parallel. Ein paar Minuten geht das so, dann lassen sich die Eurofighter zurückfallen. Eine Viertelstunde später landet die Global 5000 in Ämari, Estland.

Bislang sicherten die Polen den Luftraum

Es ist eine kleine flugtechnische Leistungsschau, die Generalleutnant Karl Müllner, 58, am Mittwoch geboten bekommt - allerdings eine mit ernstem Hintergrund. Müllner ist Inspekteur der Luftwaffe, er ist mit der Global 5000 am Morgen in Berlin gestartet, um seine Soldaten auf der Ämari Air Base zu besuchen.

Vier deutsche Eurofighter sind hier seit Anfang September stationiert, zwei weitere werden in Deutschland in einer 96-Stunden-Bereitschaft gehalten, könnten also in vier Tagen dazustoßen. Sie beteiligen sich am "Air Policing" über dem Baltikum, also der Überwachung und dem Schutz des Luftraums.

Diese Aufgabe übernimmt die Nato zwar schon seit Langem, weil die baltischen Staaten keine Luftwaffe haben, die geeignet wäre, den Auftrag zu erfüllen. Doch als Reaktion auf die Ukraine-Krise hat das Bündnis sein Engagement verstärkt - in den baltischen Staaten, aber auch in Polen. Dort sicherte die polnische Luftwaffe den Luftraum zuvor allein und wird nun unterstützt.

Nato-Gipfel zur Ukraine-Krise
:Poroschenko erwartet Waffenlieferungen aus Nato-Staaten

Einige Nato-Staaten hätten unter anderem Präzisionsmunition in Aussicht gestellt, sagt der ukrainische Präsident Poroschenko am Rande des Nato-Gipfels in Wales. Bundeskanzlerin Merkel setzt sich unterdessen für eine Doppelstrategie gegenüber Russland ein.

Angestoßen wurde die erhöhte Präsenz lange vor dem Nato-Gipfel Ende vergangener Woche. Bereits seit Mai sind Kampfjets der Nato nun auch in Estland stationiert, zuvor gab es dort keine. Seit Anfang September ist die Bundeswehr an der Reihe, sie soll bis Ende des Jahres bleiben. Das Kontingent umfasst 160 Soldaten.

Als vor Monaten die Pläne zur Entsendung deutscher Eurofighter bekannt wurden, erklärte das Verteidigungsministerium noch, es gehe lediglich um unbewaffnete Trainingsflüge. Das aber hat sich geändert: Alle zwei Wochen sollen zwei der vier Eurofighter in Ämari eine Alarmrotte bilden, die innerhalb sehr kurzer Zeit in der Luft sein und unbekannte Flugzeuge identifizieren kann - und zwar bewaffnet.

Bei der Bundeswehr sprechen sie von einer "Cold week" und einer "Hot week", die sich abwechseln. "Hot week" heißt: Die Jets steigen bewaffnet auf. "Cold week" bedeutet: Sie üben ohne Waffen. Seit die Deutschen Anfang September übernommen haben, gab es noch keinen Alarm. Im gesamten von der Nato gesicherten östlichen Luftraum gab es in den vergangenen zwei Monaten nach Angaben aus Bundeswehrkreisen allerdings mehrere Dutzend Begegnungen mit russischen Maschinen.

Dann pflanzt der General eine Eiche

Inspekteur Müllner beschreibt den Zweck des deutschen Engagements so: "Zum einen setzen wir das Zeichen, dass wir entschlossen, bereit und in der Lage sind, die Unversehrtheit des Nato-Territoriums zu gewährleisten." Zum anderen sende man "ein Signal an unsere Nachbarn im Osten, die sich Sorgen um ihr Territorium machen". Man biete "die Möglichkeit, Unklarheiten über dem Luftraum des Baltikums jederzeit aufzuklären".

Gemeinsam mit dem Chef der estnischen Luftwaffe pflanzt er dann eine Eiche. Danach wendet er sich an die Soldaten, die sich vor ihm aufgebaut haben: "Ich bin sicher, das wird möglicherweise nicht der einzige Baum bleiben, wenn wir jedesmal einen pflanzen", sagt er. Und fügt hinzu: "Die Aufgabe wird uns noch längere Zeit begleiten."

© SZ vom 11.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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