Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Höchste Zeit

Die Bundeswehr beteiligt sich mit der Fregatte "Hamburg" an EU-Einsatz im Mittelmeer, um UN-Waffenembargo gegen Libyen zu kontrollieren.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Fregatte Hamburg lässt sich Zeit auf ihrem Weg ins Einsatzgebiet. Am 4. August hat das Schiff seinen Heimathafen in Wilhelmshaven verlassen. Aber vor dem 17. August soll die Hamburg ihr Ziel, die See vor Libyens Küste, gar nicht erreichen. Sie wird 14 Tage unterwegs sein, obwohl das Schiff locker schneller sein könnte. Aber darum geht es nicht. 14 Tage - das ist genau die Zeit für die Corona-Quarantäne, die der Crew auferlegt wurde. Die heikle Mission kann erst beginnen, wenn diese Hürde genommen ist.

Berlin schickt die Fregatte in den "Irini"-Einsatz der Europäischen Union ins Mittelmeer. Das Kriegsschiff ist der neue Beitrag Deutschlands zur Kontrolle des UN-Waffenembargos gegen Libyen. Bis jetzt hatte die Bundeswehr ihre Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion eingesetzt; nur - dies muss man dazu sagen. Denn die Flugzeuge, die im niedersächsischen Nordholz starten, das Einsatzgebiet überfliegen, Informationen sammeln und danach wieder nach Deutschland zurückkehren, sind ein kräfteschonender und gleichwohl überschaubarer Beitrag. Jedenfalls gemessen daran, was andere Nationen schon wieder leisteten: Italien hat das Landungsschiff San Giorgio entsandt, es dient als Führungsschiff der Mission. Die Griechen haben ihre Fregatte Spetsai geschickt. Bis Mai war auch die französische Fregatte Jean Bart im "Irini"-Einsatz.

Wirklich gut stand diese Zurückhaltung Deutschland von Anfang an nicht zu Gesicht. Im deutschen Beitrag steckt eine hohe Symbolkraft. Die Bundesregierung hatte eine wichtige Vermittlerrolle im Konflikt eingenommen und im Januar einen großen Libyen-Gipfel in Berlin ausgerichtet. Der Militäreinsatz ist seither auch Gradmesser dafür, inwieweit sich Berlin neben den diplomatischen Bemühungen engagiert - militärisch. Aber die Lage war auch so: Die großen Kriegsschiffe der Marine, ob nun Korvetten oder Fregatten, waren schon fest in anderen Einsätzen eingeplant oder lagen in Werften. Sie standen schlicht nicht zur Verfügung.

"Wir müssen jederzeit mit einer Eskalation der Situation rechnen", sagt der Kommandant des Schiffs

Als der Bundestag am 7. Mai der neuen Mission zustimmte, legte er jedoch eine Obergrenze von 300 Soldatinnen und Soldaten fest - genau jene, die später den Einsatz einer Fregatte doch noch möglich machen würde. Eigentlich wollte die Marine im Herbst so weit sein. Die Fregatte Hamburg hätte auf einen Indopazifik-Törn gehen sollen, dort will Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mehr Präsenz zeigen. Aber dann kam Corona und warf viele Pläne um. Im Bundestag machten Abgeordnete Druck, die "Irini"-Partner nicht länger warten zu lassen. Deutschland hat in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Es wurde höchste Zeit.

"Wir stehen vor einem Einsatz, der in mehrfacher Hinsicht Schiff und Besatzung vor bisher unbekannte Herausforderungen stellen wird", sagte der Kommandant des Schiffs, Fregattenkapitän Jan Fitschen, beim Auslaufen. Das Coronavirus ist das eine. Es geht auch darum, was die Crew auf See in einem Operationsgebiet so groß wie Deutschland erwartet. "Wir müssen jederzeit mit einer Eskalation der Situation rechnen", sagte Fitschen.

Wie schnell das gehen kann, das zeigte sich am 10. Juni, als es zu einem schwerwiegenden Zwischenfall zwischen türkischen und einem französischen Kriegsschiff kam, das im Rahmen einer Nato-Mission ebenfalls im Mittelmeer unterwegs war. Die "Irini"-Mission hatte einen Frachter im Blick, der zuvor schon im Zusammenhang mit Waffenlieferungen aus der Türkei nach Libyen aufgefallen sein soll. Auf See wurde es von türkischen Fregatten begleitet. Am 10. Juni versuchte erst die griechische Fregatte Spetsai vom Kapitän des Frachters nähere Angaben zu erhalten. Aber die türkischen Schiffe sollen deutlich gemacht haben, dass sie Kontrollen nicht dulden würden. Die Lage eskalierte Stunden später, als die französische Fregatte Courbet aus dem Nato-Einsatz "Sea Guardian" einen weiteren Versuch unternahm. Es soll dabei zu waghalsigen Manövern gekommen sein, im Zuge deren die türkische Seite ein Feuerleitradar auf die französische Fregatte ausgerichtet haben soll. Die Darstellungen über diesen Zwischenfall gehen in Ankara und Paris, eigentlich Nato-Partner, auseinander. Als Konsequenz zogen die Franzosen ihre Fregatte aus der Nato-Mission ab. Spätestens seit diesem Vorfall weiß man auch in Berlin, dass dieser Einsatz schnell ungemütlich werden kann.

Die Hamburg hat zwei Hubschrauber dabei und neben der Stammcrew ein "Boardingteam" des Seebataillons, das sind jene Soldaten, die verdächtige Schiffe kontrollieren oder das eigene vor Angriffen schützen. 136 Tage, so ist es geplant, wird die Hamburg unterwegs sein und nach Lage der Dinge ganz ohne Landgang, damit sich von der Crew auch niemand mit Sars-CoV-2 ansteckt.

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Quelle:
SZ vom 10.08.2020
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