Sturmgewehr:Heckler & Koch muss wegen G36 keinen Schadenersatz zahlen

Was taugt das Sturmgewehr G36? Experten diagnostizieren schwere Mängel, Soldaten finden es trotzdem gut. Nun hat das Landgericht Koblenz entschieden.

Zumindest bei der Bundeswehr war das Schicksal des G36 schon längst besiegelt. Es wird ab 2019 ausgemustert. Der Streit zwischen Hersteller Heckler & Koch und dem Beschaffungsamt der Streitkräfte schwelte trotzdem weiter, zuletzt auf juristischer Ebene. Nun hat das Landgericht Koblenz entschieden, dass das Gewehr die notwendigen Anforderungen erfüllt. Die Richter wiesen die Schadenersatzforderungen zurück.

Die Affäre um das Sturmgewehr begann vor fünf Jahren, schon damals gab es erste Hinweise auf Präzisionsprobleme. Untersuchungen kamen dann allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen. Es ging um Zweifel an der Treffsicherheit bei großer Erhitzung der Waffe, sei es durch äußere Temperaturen oder Dauerfeuer.

Im April vergangenen Jahres war ein ausführliches Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass das Gewehr die heutigen Präzisionsanforderungen der Bundeswehr nicht erfüllt. Allerdings, argumentierte im Gegenzug der Hersteller, seien diese auch andere, als bei der Auftragsvergabe in den Neunzigerjahren vereinbart. Das wiederum musste auch das Verteidigungsministerium zugeben.

Heckler & Koch geht es auch um den Ruf

Trotzdem entschied Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dann im September, 167 000 Gewehre auszumustern und durch neue zu ersetzen. Denn bei einer Temperaturveränderung von 30 Grad sank die Trefferquote des Gewehrs bei Labortests auf nur noch sieben Prozent. Die Bundeswehr fordert 90.

Doch damit war der Streit nicht beigelegt. Für Heckler & Koch geht es schließlich nicht nur um einen lukrativen Auftrag, sondern auch um den guten Ruf als "weltweit führender Hersteller von Handfeuerwaffen", wie sich das Unternehmen selbst auf seiner Webseite beschreibt.

Eine vom Ministerium beauftragte Expertenkommission befragte schließlich 200 Soldaten. Das Ergebnis war überraschend eindeutig: Präzisionsmängel seien im Einsatz nie wahrgenommen worden, berichteten die Soldaten. Die Waffe sei leicht, bedienungsfreundlich und zuverlässig.

Antworten auf wichtige Fragen:

  • Worum ging es in dem Zivilprozess? Heckler & Koch hatte geklagt, nachdem das Bundeswehr-Beschaffungsamt Geld für das unpräzise Gewehr zurückgefordert hatte. Der Waffenhersteller wehrte sich dagegen und wollte mit einer sogenannten "negativen Feststellungsklage" gerichtlich feststellen lassen, dass es, gemessen an den vertraglichen Anforderungen, keine Mängel gibt.
  • Kommt das Urteil überraschend? Der zuständige Richter Ralph Volckmann hatte bereits im Juni eine Tendenz erkennen lassen. Aus seiner Sicht, sagte er damals, könne man dem Hersteller keine Vorwürfe machen. Er habe die Verträge stets voll erfüllt. Seiner Meinung nach hätte die Bundeswehr die Leistungsanforderungen ändern und die Verträge dahingehend anpassen sollen.
  • Um wie viel Geld ging es? Bei dem Verfahren ging es vor allem ums Prestige, die Schadenersatzforderung selbst wäre für das Unternehmen noch zahlbar gewesen. Die Forderung der Bundeswehr bezog sich nur auf 4000 Gewehre, bei denen die Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt sind. Der Gesamtbetrag lag bei geschätzt vier Millionen Euro.
  • Wie geht es jetzt weiter? Es ist davon auszugehen, dass von der Leyen trotz des Urteils an der Ausmusterung der Gewehre festhält. Im Ministerium hält man eine Weiterbenutzung wegen der eindeutigen Laborergebnisse für unverantwortlich. Theoretisch könnte die Bundeswehr das Urteil nun anfechten. Für von der Leyen ist die Niederlage unangenehm. Ihr wird vorgeworfen, ihr Urteil über das G36 voreilig gefällt und damit dem Ruf des Gewehrs beschädigt zu haben. Allerdings sollten auch zahlreiche Medien in dieser Hinsicht Selbstkritik üben - sie hatten die Rede vom "Pannengewehr" anfangs unkritisch übernommen.
  • Wann bekommt die Bundeswehr neue Gewehre? Die Ausschreibung soll noch in diesem Jahr erfolgen. Voraussichtlich 2018 wird dann eine Waffe ausgewählt. Die ersten Exemplare sollen 2020 ausgeliefert werden.
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