Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Guttenberg stellt Wehrpflicht zur Debatte

Sparen ja, aber das "symbolhafte Streichen von Einzelprojekten" lehnt Verteidigungsminister Guttenberg ab. Er stellt nicht nur die Wehrpflicht in Frage.

In Afghanistan hat die Bundeswehr mit der Zeit eine neue Rolle übernommen. Der Krieg dort kostet - aber in der Heimat entzündet sich eine ganz neue Debatte. Es fehlt überall Geld, der Finanzminister macht harte Sparvorgaben.

Die Folge: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will bei den Personalkosten der Bundeswehr und den Rüstungsausgaben deutlich kürzen und die Zahl der Kasernen reduzieren. Das kündigte Guttenberg mit einer Grundsatzrede an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg an.

Angesichts der desolaten Finanzlage würden "Einzeleingriffe in den Beschaffungsplan bei nur symbolhaftem Streichen von Einzelprojekten (...) bei weitem nicht ausreichen", um den mittelfristigen Ansatz des Verteidigungshaushalts um jährlich mehr als eine Milliarde Euro strukturell zu senken, erklärte der Verteidigungsminister am Rande der 9. Generals-, Admirals- und Kommandeurstagung der Streitkräftebasis in Hamburg.

Selbst der Fortbestand der Wehrpflicht werde mit den jetzt bekannten Zahlen, "und nicht nur aufgrund koalitionsinterner Träumereien" erneut einer Diskussion ausgesetzt, sagte Guttenberg.

Der bisherige Anspruch, dass die Exekutive erst den strukturellen Rahmen vorgebe und dann finanziere, werde "völlig illusionsfrei" von der Realität der Kosten bestimmt. "Das weiß die Bundesregierung, und das weiß das Bundesfinanzministerium."

Entscheidend sei künftig "das Denken vom Einsatz her". Erst danach könnten Elemente der allgemeinen Sicherheitsvorsorge erhalten werden, deren Umfang jedoch von den Finanzierungsmöglichkeiten abhingen. "Rüstungsausgaben als Sozialproduktanteile werden künftig nur noch (...) einen appellativen Charakter haben, wenn überhaupt." "Es wird einen gravierenden Schnitt geben müssen", betonte Guttenberg.

"Wir stehen vor einer munteren Diskussion"

Wegen der Finanzkrise müsse auch das Standortkonzept von 2004 mit einem klaren Bekenntnis zu einem wirtschaftlichen Ressourceneinsatz fortgeschrieben werden. Die Belegungsdichte pro Standort müsse erhöht werden. Kleinere Standorte wären nur durch "zwingende militärische Funktionalität" zu begründen. "Regionalpolitische Gesichtspunkte wären dabei leider nicht prioritär."

"Das ist eine milde Beschreibung für eine muntere Diskussion, vor der wir hier stehen", sagte der Minister. Bei Fragen der nationalen Sicherheit und bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr höre die Sparbereitschaft jedoch auf.

"Bei den Einsätzen muss das vorgehalten werden, was die Soldaten vor Ort brauchen", sagte Guttenberg. Gleichwohl sei er zu harten Einschnitten bereit. Mit Blick auf die Kabinettskollegen sagte er: "Ich bin dann hoffentlich Teil eines Gesamtansatzes, nicht ein alleiniger Opferhaushalt für alle anderen." Noch diese Woche werde es Gespräche mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geben.

Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Omid Nouripour, kritisierte, dass Guttenberg die Größe der Bundeswehr nicht angesprochen habe. "Er muss signalisieren, dass die Verkleinerung der Bundeswehr eine Option sein kann. Es darf an dieser Stelle keine Tabus geben." Zudem fehlten Vorschläge zur Beseitigung der Probleme bei zahlreichen Rüstungsprojekten, sagte Nouripour.

Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels erklärte mit Blick auf den Umfang der Bundeswehr: "Guttenberg lügt sich in die Tasche, wenn er glaubt, dass das außen vor bleiben könnte. Das Thema kommt mit Macht." Die derzeitige Größe der Truppe sei aber angemessen. "Wenn sie kleiner wird, dann wird sie aus sachfremden Gründen kleiner." Er riet dem Minister, "erst mal für einen angemessen Anteil am Haushalt zu kämpfen". Guttenberg wirke derzeit "wie ein Getriebener der Politik anderer Ressorts".

In Teilen entsprach Guttenberg mit seinen Vorhaben den Forderungen der Grünen. Deren haushaltspolitischer Sprecher Alexander Bonde hatte die Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate als Murks bezeichnet. Die Wehrpflicht müsste grundsätzlich zur Disposition gestellt werden, so Bonde. "Sicherheitspolitisch ist die Wehrpflicht ohnehin nicht mehr zu begründen, sie dient nur als teure Rekrutierungsmaßnahme." Die Grünen schlagen eine Verkleinerung der Truppe von 250.000 auf 200.000 Soldaten vor.

Darüber hinaus hatte Bonde den Verzicht auf Milliarden-Rüstungsprojekte gefordert. Beim Kampfflugzeug Eurofighter, beim Schützenpanzer Puma und den U-Booten der Klasse U 212 A sollten bestellte Stückzahlen reduziert werden. Auf andere Projekte wie den Kampfhubschrauber Tiger oder das Raketenabwehrsystem MEADS müsse man ganz verzichten.

Die Bundeswehr könne sich die bestehende Struktur nicht mehr leisten und lebe seit langem über ihre Verhältnisse. "Wir brauchen eine Bundeswehrreform, die ohne Tabus die bisherige Struktur, Aufgaben und Ausgaben auf den Prüfstand stellt."

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