Bundeswehr:"Falsche Patrioten"

Der Präsident des Militärgeheimdiensts sieht eine "neue Dimension" des Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Die Verdachtsfälle seien auf mehr als 600 angestiegen - und im KSK gebe es eine "Mauer des Schweigens".

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) sieht eine "neue Dimension" beim Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Das sagte der Präsident der Behörde, Christof Gramm, am Montag in Berlin bei einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste. Die Verdachtsfälle von Rechtsextremisten und sogenannten Reichsbürgern seien erkennbar auf mehr als 600 angestiegen. "Wir schauen genauer hin auf Extremisten und auch auf Personen mit fehlender Verfassungstreue. Dabei werden wir fündig", sagte Gramm. Schwerpunkt der Arbeit des MAD sei die Extremismusabwehr, wenngleich die überwiegende Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten verfassungstreu sei. Überhöhter Patriotismus ohne Bekenntnis zum Grundgesetz, zum Staat des Grundgesetzes und zur offenen Gesellschaft werde in der Bundeswehr nicht geduldet, sagte Gramm. "Solche falschen Patrioten haben bei uns definitiv nichts verloren."

Der Spiegel berichtete am Montag von einem neuen Fall. Bei einem als rechtsextrem eingestuften Bundeswehr-Reservisten habe der MAD eine Liste mit Telefonnummern und Privatadressen von Spitzenpolitikern gefunden. Gegen den Unteroffizier aus Niedersachsen sei umgehend ein Uniformtrage- und Dienstverbot verhängt worden. Schwerpunkt bei der Extremismusabwehr sei das Kommando Spezialkräfte (KSK), wo etwa zwanzig Personen im Fokus stünden, sagte Gramm. Es sei gelungen, dort nach und nach mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Gerade im KSK könne man nicht nur von Einzelfällen ausgehen. Es gebe dort einen ausgeprägten Korpsgeist, sagte Gramm, der auch von einer "Mauer des Schweigens" sprach. Es gelinge seiner Behörde aber, hier Risse zu erzeugen. In den vergangenen Jahren war das KSK immer wieder wegen rechtsextremistischer Vorfälle in die Schlagzeilen geraten. Zuletzt hatte die Festnahme eines Soldaten, der in seinem Garten ein Waffenlager angelegt hatte, und ein Beschwerdebrief eines Offiziers, der von unhaltbaren Zuständen schrieb, für Aufsehen gesorgt. Auch der MAD selbst geriet in die Kritik, weil Mitarbeiter der Extremismusabwehr offenbar unerlaubt Informationen an einen KSK-Soldaten weitergegeben hatten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft den Verein "Ein Prozent" seit vergangener Woche als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus ein. Das sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, in der Sitzung. Der Verein fördere Gruppierungen und Personen insbesondere aus dem Bereich der Neuen Rechten. Die sogenannte Neue Rechte ist eine theoretische Strömung im Bereich des Rechtsextremismus, die laut Verfassungsschutz auf die Beseitigung oder zumindest Beeinträchtigung des demokratischen Verfassungsstaates abzielt. In Beiträgen von "Ein Prozent" würden Migranten und Muslime pauschal herabgewürdigt. Eine der Kernaufgaben des Vereins sei die Vernetzung im rechtsextremistischen Spektrum. Die Hochstufung zum Verdachtsfall bedeutet, dass der Nachrichtendienst ernstzunehmende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sieht.

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