Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr-Einsatz in Mali:Nach Afrika, für Europa

Drei Fragen muss eine Regierung beantworten, wenn sie Soldaten entsendet: Was ist das Ziel der Mission? Wie und wann kommt man wieder raus? Und welche Interessen werden bedient? Für Mali und den Lufttransport-Einsatz in die Zentralafrikanische Republik gibt es ein paar vernünftige Antworten.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Viele Jahre lang pflegte die Bundeswehr eine Liaison mit den malischen Streitkräften. Ein paar Feldwebel - Pioniere, Instandsetzer - brachten malischen Soldaten bei, wie man Lastwagen repariert und pflegt. Nichts Außergewöhnliches, die übliche Form von Staatendiplomatie mithilfe auch der Armee.

Jetzt, ein paar Coups später und mit geschärftem Blick über das Mittelmeer hinweg, wird man Vokabeln wie "strategisches Interesse" und "Stabilisierung der Demokratie", "Befähigung zur Selbsthilfe" oder "Schutz vor fundamentalistischem Terror" hören, wenn der Bundestag bald den Einsatz für möglicherweise wenige Tausend Soldaten beschließt. Viel Aufregung wird es wohl nicht darüber geben, auch weil eine große Koalition regiert.

Wie immer wenn Soldaten entsandt werden, müssen mindestens drei Fragen vernünftig beantwortet werden: Was ist das Ziel der Mission? Wie und wann kommt man wieder raus? Und welche Interessen werden bedient? Für Mali, und auch für den Lufttransport-Einsatz in die Zentralafrikanische Republik, gibt es ein paar vernünftige Antworten. Gerade Mali ist ein vergleichsweise einleuchtender Fall, weil dort die französische Armee eine Übernahme des Staates durch Islamisten verhindert hat.

Die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer erinnern jeden Tag daran, dass es einen ganz unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Zuständen in Europa und der Gebrechlichkeit der Staaten entlang der Sahara gibt. Mali ist auch ein voraussichtlich überschaubarer Fall, weil es eine Regierung und eine Armee gibt. In Zentralafrika gilt es hingegen, einen Völkermord aufzuhalten - ein ungleich schwierigeres und ambitionierteres Unterfangen.

Es geht auch um das Verhältnis zu Frankreich

Die Bundesregierung hätte beiden Krisen weiter zugesehen, wenn es nicht zusätzliche Motive gegeben hätte, die sie nun anspornen. Dabei geht es vor allem um Europa und das Verhältnis zu Frankreich.

Noch im Dezember haben die EU-Granden ihre eigene außenpolitische Impotenz und den Mangel an strategischer Weitsicht beklagt. Diese Analyse stimmt: Die USA ziehen sich aus Europa und dem Mittelmeerraum zurück, die gesamte Nachbarschaft von Syrien bis Ostafrika rumort bedrohlich, Islamisten sind eine echte Geißel. Nur: Was kann man tun?

Die EU spürt, dass sie handeln muss, oder besser: Frankreich und nun auch Deutschland treiben Europa zur Tat. Der deutsche Sinneswandel verdient dabei besondere Beachtung, denn hier zeichnet sich tatsächlich eine neue Politik ab. Zwei Gründe gibt es dafür: Es regiert Schwarz-Rot. Die FDP mit ihrem Außenminister Guido Westerwelle verlangte nach einer "Kultur der Zurückhaltung". Nun ist es plötzlich kein Problem mehr, die Chemiewaffen-Reste aus syrischen Beständen auch in Deutschland zu verbrennen.

Nachdenken über ein neues europäisches Gleichgewicht

Zweitens haben die Bundeskanzlerin und ihr neuer Außenminister erkannt, dass die Wirtschaftsmacht Deutschland ein Problem bekommt, wenn sie sich außenpolitisch und militärisch in den Augen der anderen EU-Partner weiterhin zu sehr zurückhält. Anders gewendet: Europa wird kippen, wenn das deutsch-französische Ungleichgewicht im Zentrum nicht wieder ins Lot kommt. Deutschland kann sich sein ökonomisches Wunsch-Europa nicht mehr wie früher mit Euro-Noten kaufen. Und als außenpolitischer Abstinenzler zieht es nur noch Unmut auf sich.

In Paris hat Präsident François Hollande nun sein Reformversprechen abgegeben. Und Berlin beginnt, über den deutschen Beitrag für ein neues europäisches Gleichgewicht nachzudenken. Mali und Zentralafrika sind Testfälle dafür. Noch liegt das Skript für dieses neue Europa nicht auf dem Tisch. Aber es wächst der Appetit, daran zu schreiben; es könnte eine Agenda 2020 für die Außenpolitik werden.

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SZ vom 20.01.2014/ebri/joku
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