Sicherheit ist eine feine Sache. Wer Geld auf dem Konto und ein Dach über dem Kopf hat, wer geborgen ist durch Familie und Freunde, wer sich der Arbeit und seinen Leidenschaften widmen kann, der ist sich seines Lebens sicher.
Umstrittener Einsatz: Bundeswehrsoldaten in Afghanistan
(Foto: Foto: AP)Risiken lassen sich zwar nicht ausschließen, aber für ein angstfreies Dasein kann gesorgt werden: von Versicherungen, von Banken, vom Arbeitgeber und natürlich vom Staat, der die Gewährleistung von Sicherheit als eine seiner vornehmsten Aufgaben ansehen muss. Ohne Sicherheit kein Vertrauen, ohne Vertrauen keine Stabilität, ohne Stabilität kein wohlwollender, im besten Fall demokratischer Staat, ohne Staat Anarchie und Willkür.
Das Sicherheitsbedürfnis der Deutschen beschränkte sich lange auf das Leben in den eigenen vier Wänden. Alles, was sich innerhalb der Landesgrenzen abspielte, wurde mit großer Akribie gewogen. Der Staat und die innere Sicherheit - vor allem die materielle, aber auch die polizeiliche - stehen im Mittelpunkt leidenschaftlicher Auseinandersetzungen.
Dabei wurde stets als selbstverständlich akzeptiert, dass die Sicherheit von außen nicht beeinträchtigt wird, dass Deutschland gut aufgehoben ist unter Freunden und Nachbarn, und dass die Wirtschaft stark genug ist, um das Land zum Exportweltmeister zu machen. Das ist die Idealvorstellung der Deutschen von ihrem Leben in Sicherheit und ihrer Rolle in der Welt.
Die Entstehung der Scheuklappenmentalität
Dieses eher passive Rollenverständnis hat seine Ursache in der verständlichen außenpolitischen Entmündigung nach dem Zweiten Weltkrieg. Außen- und Sicherheitspolitik wurde von anderen übernommen - zunächst von Besatzungsmächten, dann von Bündnissen.
So entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte ein sehr positives Verständnis von Multilateralismus in Deutschland, ohne den die Europäische Union nicht hätte entstehen können. Zyniker sprachen gar von einem post-nationalen Deutschland, derart selbstlos und scheinbar interessenfrei trat die Politik auf.
Allerdings entstand so auch eine Scheuklappenmentalität. Ausgeblendet blieben Probleme, die nicht in das deutsche Konzept passten. So wuchs eine Tabuzone, eine politische no-go-area, in deren Kern das Thema Kampfeinsatz zu finden ist.
Wird, wie in den vergangenen Tagen, eines dieser Tabus berührt, dann wird die Reaktion unberechenbar, ja gefährlich. Dann geht es nicht nur um die Aufgaben der Soldaten in Afghanistan oder die beste Strategie zum Aufbau einer Zivilverwaltung im umkämpften Süden. Nein, dann geht es gleich um den Abzug, um das militärische Selbstverständnis der Bundeswehr, um Sinn und Zweck des Nato-Bündnisses insgesamt.
Ein bekannter Reflex
Bei solchen Debatten tritt ein gerüttelt Maß an Irrationalität, sogar ein Hang zur Panik zutage. Die Politik trägt dazu bei, weil sie aus Furcht schweigt. Es war die Kanzlerin, die dem Begehren anderer Nato-Staaten widersprach, den Einsatz der Bundeswehr auszuweiten. Sie tat dies nicht aus Sorge um das Wohl der Soldaten, sondern aus Angst vor dem politischen Gegner - denn der könnte ja den schwachen Konsens über Bündnis und Einsatz aufkündigen und das Ganze zu Wahlzwecken instrumentalisieren.
Deutschlands Verbündete kennen den Reflex inzwischen. Deswegen hat sich die Diskussion um Afghanistan auch schon wieder beruhigt. Gleichwohl wird der Druck nicht nachlassen, weil es einen unaufgelösten Widerspruch zwischen dem Bild der Deutschen von sich selbst und der Wahrnehmung des Landes von außen gibt.
Um nicht zerrieben zu werden zwischen äußeren Erwartungen und inneren Zwängen, muss die Bundesregierung, müssen die großen Parteien Klarheit schaffen über die Rolle des Landes in einem Bündnis und in Afghanistan.