Bundeswehr:Ein Airbus voller Augen

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Ein Airbus A310 der Bundeswehr und zwei Eurofighter zeigen, wie eine Betankung in der Luft funktioniert. (Foto: dpa)
  • Ein neues Spionageflugzeug vom Typ Airbus A319 soll die Flotte der Bundeswehr bald verstärken.
  • Damit will Deutschland seine Aufgaben des "Open Skies"-Vertrages erfüllen.
  • Das Flugzeug wird damit bei der Rüstungskontrolle behilflich sein.

Von Mike Szymanski, Berlin

Es gibt schon einen Namensvorschlag für den neuen Flieger der Luftwaffe: Hans-Dietrich Genscher. Entspannungspolitik, Abrüstung und Ausgleich, das waren die großen Themen des früheren Außenministers und FDP-Politikers. Und auch dieses Flugzeug, ein Airbus A319, der jetzt noch in einer Flugzeugwerft steht, soll bald seinen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten.

Derzeit sind Techniker damit beschäftigt, die Maschine für ihre künftige Aufgabe umzubauen. Sie bekommt Computerarbeitsplätze in ihrem Bauch, wird mit modernen digitalen Kameras und Infrarot-Sensoren ausgestattet. Der Airbus A319 wird zum fliegenden Auge umgebaut. Streng genommen ist die A319 ein Spionageflugzeug. Es geht aber nicht nur ums Sehen, sondern immer auch ums Gesehenwerden. Alle kennen die Flugrouten, erfahren also, was die anderen interessiert.

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Das neue Flugzeug wird Teil einer ganz besonderen internationalen Flotte. Die Deutschen wollen es von 2020 an einsetzen, um ihre Aufgaben im Rahmen des "Open Skies"-Vertrags zu erfüllen. Offener Himmel - so heißt das Abkommen, das 1992 von den Staaten der Nato und des ehemaligen Warschauer Pakts unterzeichnet wurde. Es geht darin um Rüstungskontrolle. Und um Vertrauen. Die heute 34 Vertragsstaaten haben sich in dem Dokument, das nach Ratifikation durch alle Mitgliedsstaaten 2002 rechtlich verbindlich in Kraft trat, darauf verständigt, gemeinsame Beobachtungsflüge über ihren Territorien vorzunehmen. Jeder Vertragsstaat hat das Recht auf eine bestimmte Anzahl jährlich vereinbarter Beobachtungsflüge im Luftraum der anderen Staaten, muss aber solche auch bei sich selbst zulassen.

Deutschland war immer fester Partner und Befürworter des Abkommens, nur über ein eigenes Flugzeug für die Umsetzung des Vertrags verfügt Deutschland schon seit bald 22 Jahren nicht mehr. Die dafür vorgesehene Maschine, eine Tupolew Tu-154M, war im September 1997 vor der afrikanischen Küste mit einer Transportmaschine des US-Militärs kollidiert und abgestürzt. Seitdem ist die Bundesregierung auf Hilfe von Partnernationen wie Norwegen, Schweden und Rumänien angewiesen, die ihre Flieger zur Verfügung stellten. Geplant und ausgewertet werden die Beobachtungsflüge von deutscher Seite durch das Zentrum für Verifikationsaufgaben bei der Bundeswehr in Geilenkirchen.

Das "Open Skies"-Abkommen funktioniert - trotz aller Schwierigkeiten

Russland und Amerika müssen jährlich je 42 Beobachtungsflüge gestatten, Deutschland zwölf. Die Aufnahmen, in der Regel werden militärische Areale inspiziert, werden allen Vertragspartnern zugänglich gemacht. Davon profitieren vor allem kleinere Staaten. Den Großen, die teils sogar genauer mit Satelliten aufklären können, geht es mehr um die militärische Transparenz. Zwischen Vancouver und Wladiwostok erstreckt sich das vom Vertrag abgedeckte Gebiet. Es geht auch darum, in militärischen Fragen im Gespräch zu bleiben. Nur, so schwierig wie jetzt war das schon lange nicht mehr.

Das System der Rüstungskontrolle bröckelt. Manche Abkommen, wie jenes über die Begrenzung schwerer konventioneller Waffensysteme in Europa (KSE), müssten dringend modernisiert werden. Der gegenseitige Austausch etwa über anstehende Militärübungen - eigentlich fest vereinbart - funktioniert nur noch unbefriedigend, was Russland angelastet wird. Amerika und Russland liegen zudem im offenen Streit über die Zukunft des INF-Abrüstungsabkommens für nukleare Mittelstreckenraketen, das einst Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichnet hatten. Auch das andere verbleibende Abrüstungsabkommen der beiden einstigen Supermächte, der New-Start-Vertrag, läuft im Februar 2021 aus, sofern sich beide nicht auf eine Verlängerung einigen. Er limitiert strategische Atomwaffen und ihre Trägersysteme.

Die Lage ist beunruhigend. Aber ausgerechnet das "Open Skies"-Abkommen funktioniert - trotz aller Schwierigkeiten.

Im Februar erst haben die US-Streitkräfte laut Pentagon einen Überwachungsflug über russischem Territorium unternommen. Sechs russische Beobachter hatten sich an Bord der US-Militärmaschine vom Typ Boeing OC-135B befunden. Es war der erste reguläre Observationsflug seit mehr als einem Jahr. 2018 hatten sich die Vertragspartner in der Frage von Überflugs-quoten und -routen so zerstritten, dass es im ganzen Jahr keinen einzigen regulären Flug gab. Georgien sperrte sich gegen einen Flug der Russen über seinem Gebiet. Moskau wiederum wollte die Länge eines Observationsflugs über Kaliningrad begrenzen. Die USA weigerten sich zunächst, ein neues russisches Beobachtungsflugzeug für die Open-Skies-Missionen anzuerkennen. Die Amerikaner sind gerade selbst dabei, ihre betagte Flotte zu erneuern. Sie wähnten sich - so ist zu hören - offenbar technisch im Nachteil. Eine Zeit lang sah es so aus, als käme nun auch das Open-Skies-Abkommen unter die Räder.

Dass es anders kam, die Probleme gelöst wurden und jetzt doch weiter geflogen wird, wertet Katja Keul, Abrüstungsexpertin der Grünen, als "Hoffnungsschimmer". Den Vertrag bezeichnet sie als "Gradmesser auch für die Beziehungen zwischen den USA und Russland". Dass beide Länder in neue Überwachungsflugzeuge investieren und offenkundig zu Kompromissen bereit sind, um das Abkommen aufrechtzuerhalten, zeigt, wie viel Bedeutung sie ihm trotz aller Reibereien beimessen.

Im Krisenfall können "Flieger des Offenen Himmels" auch außerplanmäßig aufsteigen. Nach dem Zwischenfall am Asowschen Meer, als Russlands Küstenwache ukrainische Schiffe aufbrachte und die Lage weiter zu eskalieren drohte, hatte die Ukraine um einen Beobachtungsflug entlang der Küstenlinie gebeten. Die USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Rumänien flogen daraufhin auf Einladung der Ukraine am 6. Dezember über das Gebiet und teilten ihre Erkenntnisse. Die Russen waren informiert. Das Abkommen hält.

© SZ vom 05.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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