Deutschland ist längst Ziel der hybriden Kriegsführung Russlands – das ist die feste Überzeugung der Sicherheitsbehörden. Neben Zwischenfällen mit durchtrennten Unterseekabeln in der Ostsee bereiten ihnen besonders illegale Drohnenflüge Sorgen, und sie sehen Anzeichen für eine steigende Gefahr feindlicher Attacken. Als Konsequenz hat das Bundeskabinett daher am Mittwoch Regelungsvorschläge für eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes beschlossen.
Die Bundeswehr soll die Erlaubnis erhalten, bei einem drohenden besonders schweren Unglücksfall Drohnen abzuschießen. Konkret soll in das Gesetz eingefügt werden, dass die Bundeswehr in diesem Fall „Waffengewalt gegen unbemannte Luftfahrzeuge“ anwenden darf. Insbesondere seit dem Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine gebe es einen Anstieg der Meldungen über Sichtungen von illegalen Drohnenflügen über kritischen Infrastrukturen und militärischen Liegenschaften.
Seit jedes Jahr etwa 10 000 ukrainische Soldaten an Waffensystemen in Deutschland ausgebildet werden und die Rüstungsindustrie mit hochmodernen Neuentwicklungen zu einem wichtigen Unterstützer des von Russland angegriffenen Landes geworden ist, gibt es fast täglich Meldungen über solche verdächtigen Aktivitäten in der Luft.
Drohnen seien eine ernste Gefahr, sagt Innenministerin Nancy Faeser
„Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit der Drohnen ist es denkbar, dass die Flüge im Auftrag von fremden staatlichen Stellen durchgeführt werden“, heißt es. Voraussetzung für einen Abschuss durch die Bundeswehr soll sein, dass die für die Gefahrenabwehr eigentlich zuständige Polizei technisch dazu nicht in der Lage ist. Der Gesetzentwurf soll durch die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen in den Deutschen Bundestag eingebracht werden – es ist aber unklar, ob es noch vor der Neuwahl des Bundestags am 23. Februar zu Entscheidungen dazu kommt.

„Drohnen als Instrument für Spionage und Sabotage können eine ernste Gefahr sein, insbesondere für unsere kritische Infrastruktur“, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Allein auf jährlich mehrere Hundert Drohnensichtungen bei Kasernen ist die Zahl angestiegen, auch Rüstungskonzerne berichten über eine Zunahme von Drohnenflügen bei ihren Fertigungsstätten. Mit sogenannten Jammern oder Störsendern wird versucht, Drohnen abzuwehren und zum Landen zu zwingen. Zudem wird von Pilotversuchen mit eigenen Drohnen berichtet, die aufsteigen und notfalls Spezialnetze über die Spionagedrohne werfen und sie so unschädlich machen.
Erst am Sonntag gab es in Bayern Drohnenalarm: Über dem Bundeswehrstandort Manching bei Ingolstadt wurde gegen 19 Uhr ein Drohnenflug beobachtet. Die ausgerückte Polizei sah am Abendhimmel bis zu zehn Drohnen. Ein Helikopter startete, um die Flugobjekte zu verfolgen, aber weder die Drohnen noch ihre Piloten am Boden waren noch aufzufinden. Schon Mitte Dezember waren über dem Militärgelände, auf dem die Bundeswehr ihre Fluggeräte testet, und über dem nahe gelegenen Eurofighter-Standort der Luftwaffe in Neuburg an der Donau fremde Drohnen gesichtet worden. Ein Sprecher des Bayerischen Landeskriminalamts teilte der SZ mit, bisher hätten sich mehr als 20 Zeugen gemeldet, eine heiße Spur sei aber nach erster Einschätzung noch nicht dabei.

Exklusiv Wirecard:Dax-Vorstand mit der Lizenz zu spionieren
Jan Marsalek baute womöglich schon während seiner Zeit bei Wirecard einen russischen Spionagering in Europa auf. Diesen Verdacht legen Recherchen von SZ und „Profil“ nahe.
Drohnenflüge über militärischen Sicherheitsbereichen würden wegen des Verdachts des „sicherheitsgefährdenden Abbildens“ zur Anzeige gebracht, betont die Bundeswehr. Eine justiziable Spionagefeststellung sei für die Ermittlungsbehörden jedoch meist schwierig. Die Bundeswehr verfügt nach eigenen Angaben über verschiedene Systeme zur Drohnenaufklärung und Drohnenabwehr, etwa das System HP 47. Wegen des hohen Bedrohungspotenzials, das von Drohnen ausgeht, plant die Bundeswehr hier eine deutliche Aufrüstung, das hat auch die Arbeit einer Taskforce „Drohne“ gezeigt; auch aus dem Ukraine-Krieg werden Lehren gezogen.
Aber nicht nur die Bundeswehr und die Rüstungsindustrie sind im Visier von Drohnen. Erst am Montagabend hatten Mitarbeiter eines Chemieparks im nordrhein-westfälischen Marl Verdächtiges am Himmel entdeckt: offenbar mehrere Drohnen. Über vier Stunden hinweg wurden sie immer wieder gesichtet. Die Sicherheitsbehörden ermitteln wegen des Verdachts der „Agententätigkeit zu Sabotagezwecken“.
Schon im vergangenen Sommer hatte es über einem Industriepark in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein aufsehenerregende Sichtungen gegeben: Mehrfach tauchten große Drohnen über dem Areal auf. Obwohl Bundespolizei und Bundeswehr Systeme zur Detektion und Abwehr schickten, konnten die Drohnen jedes Mal unbehelligt verschwinden. Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt ebenfalls wegen des Verdachts der Spionage und Sabotagevorbereitung. Die Drohnen jedenfalls sollen nach Angaben aus Sicherheitskreisen weit größer und schneller gewesen sein als handelsübliche Hobby-Drohnen – es soll auffällige Ähnlichkeiten mit russischen Militärdrohnen geben.