Bundeswehr:Das leistet die Bundeswehr schon jetzt im Inland

Bundeswehr im Hochwassereinsatz

Soldaten der Bundeswehr beim Hochwassereinsatz 2013 in Damnatz (Niedersachsen)

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Durch die jüngsten Terroranschläge und Gewaltattacken ist ein Einsatz der Bundeswehr im Inland wieder im Gespräch.
  • Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) befeuert die Debatte, die auf die Auslegung des Einsatzverbotes im Inneren hinausläuft: Hier setzt das Grundgesetz enge Grenzen.
  • Schon jetzt erfüllt die Truppe aber viele Aufgaben für Behörden und Polizei, etwa im Katastrophenschutz und bei der Flüchtlingshilfe.

Von Christoph Hickmann und Cornelius Pollmer

Mission "eiserner Stöpsel", das klingt noch heute wie ausgedacht, das klingt nach dem glücklichen Ende eines B-Movies - aber sie hat sich genau so ereignet, an der Elbe bei Fischbeck, Sachsen-Anhalt: Flutsommer 2013, der Deich ist auf 90 Metern Länge gebrochen, die Strömung zu stark, um das Loch mit üblichen Mitteln zu stopfen. Landesinnenminister Holger Stahlknecht begibt sich auf einen Rundflug über das Katastrophengebiet. Mit ihm an Bord befindet sich Bundeswehr-Oberst Claus Körbi.

Der Oberst schlägt Stahlknecht vor, Sachsen-Anhalt für einen Tag zur Seemacht zu erklären, und genau so kommt es: Zwei alte Lastkähne werden am Deich in Position gebracht und gesprengt, später folgt ein dritter. Der Deich ist weitgehend geflickt. Als Stahlknecht später das erfolgreiche Schiffe-Versenken vor Fernsehkameras erläutert, flackert ein ungläubiges Lächeln in seinem Gesicht. Neben ihm: Oberst Körbi, mit ungerührtem Wir-dienen-Deutschland-Blick.

Zwei Wochen später feiert Sachsen-Anhalt eine kleine Wiederauferstehung. Der "Sachsen-Anhalt-Tag" kann trotz des Hochwassers stattfinden, Ministerpräsident Reiner Haseloff kommt angereist und klopft Oberst Körbi noch etwas heftiger auf die Schulter als all den anderen Freiwilligen. Die Bürger treten staunend bis stolz an den Oberst heran. Sie fragen: "Sie sind doch der, der die Schiffe versenkt hat, oder?"

Statt Schiffe versenken geht es jetzt um Anti-Terror-Einsätze

Wenn dieser Tage davon die Rede ist, Soldaten im Inland einzusetzen, dann geht es vor allem um Anti-Terror-Einsätze. Schon vor Monaten hatte die Union dieses Streitthema wieder einmal auf die innenpolitische Tagesordnung gesetzt und gefordert, solche Einsätze per Grundgesetzänderung zu erleichtern. Die SPD sperrte sich erfolgreich, doch seit dem Amoklauf in München läuft die Debatte wieder, befeuert vor allem von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Am Mittwoch besuchte sie das für Einsätze im Inland zuständige Kommando Territoriale Aufgaben, sprach dort allerdings nicht nur über Anti-Terror-Einsätze, sondern lobte auch den Einsatz der Truppe in der Flüchtlingshilfe und rief so in Erinnerung, wie breit das Spektrum der Einsätze im Innern ist. Was also leistet die Truppe bereits im Inland?

Sie hilft, wie 2013 in Sachsen-Anhalt, beispielsweise im Einsatz gegen Hochwasser, was rechtlich als "technische Amtshilfe" nach Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes bezeichnet wird. Solche technische Amtshilfe hat die Truppe etwa im Mai und Juni dieses Jahres geleistet, in Bayern und Nordrhein-Westfalen kämpfte sie neun Tage lang gegen Hochwasser und setzte dabei in der Spitze 125 Soldaten ein.

Doch auch beim G-7-Gipfel vergangenes Jahr im oberbayerischen Elmau leistete die Bundeswehr technische Amtshilfe und unterstützte Behörden und Polizei. Nach Angaben der Bundeswehr waren etwa 840 "Einsatzkräfte" beteiligt, hinzu kam Führungspersonal. Es ging, unter anderem, um die Unterbringung, um den Schutz des Luftraums - und um Transport, zu Land und in der Luft. Bei manchem Medienvertreter brach damals geradezu kindliche Begeisterung darüber durch, im Militärhubschrauber durch die Gegend geflogen zu werden. Doch die größte Herausforderung im Inland lag für die Bundeswehr zuletzt anderswo: in der Flüchtlingshilfe.

Flüchtlingskrise brachte die Bundeswehr an die Belastungsgrenze

Hochwasser in Sachsen-Anhalt - Magdeburg

So sehen Missionen im Inland aus: Soldaten schichten Sandsäcke gegen das Elbhochwasser auf - hier in Magdeburg.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Die hob auch von der Leyen am Mittwoch hervor, und das verdeutlichen schon die Zahlen. Zur Bewältigung des Andrangs waren auf dem Höhepunkt nach Angaben der Truppe täglich etwa 9000 Bundeswehrangehörige eingebunden, also Soldaten wie Zivilisten, die sich zum Beispiel darum kümmerten, kurzfristig Unterkünfte für Flüchtlinge bereitzustellen.

Im Hangar des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof etwa bauten Soldaten eine Zeltstadt für Hunderte Menschen mit auf. Die Truppe half zudem beim Transport, bei der Registrierung von Flüchtlingen oder war mit mobilen Röntgengeräten im Einsatz. Und auch jetzt noch hilft sie: Von gut 165 000 sogenannten Unterbringungsplätzen, die der Bund insgesamt stellt, steuerte die Bundeswehr im Juli noch immer mehr als 50 000 bei.

Durch den Rückgang der Flüchtlingszahlen hat allerdings auch die Belastung der Bundeswehr deutlich abgenommen. So waren im Juli lediglich noch gut 820 Soldaten und zivile Beschäftigte in der Flüchtlingshilfe gebunden, von denen allein knapp 260 zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgestellt waren. Auch die Zahl der Anträge auf Unterstützung der regionalen Behörden hat deutlich abgenommen. Waren es 2015 noch 866 sogenannte Amtshilfeanträge gewesen, waren es in der ersten Jahreshälfte 2016 nicht einmal mehr 200. In allen Bundesländern ist die Zahl der eingesetzten Kräfte seit Beginn des Jahres deutlich zurückgegangen. In Rheinland-Pfalz etwa lag sie im Juli bei 20.

Die Bevölkerung lernte ihre Truppe schätzen

Zwar werde die Bundeswehr auch weiterhin Hilfe leisten, heißt es in einem Bericht des Verteidigungsministeriums an den Bundestag - jedenfalls "bei Vorliegen der Voraussetzungen und unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen". Allerdings, so der Bericht weiter, sei es die Absicht des Ministeriums, die zur Amtshilfe abgestellten Kräfte "weiter schrittweise herauszulösen und in ihre originären Aufgaben zurückzuführen".

Tatsächlich war die Truppe zwischenzeitlich mal wieder an ihrer Belastungsgrenze angelangt - während in der Öffentlichkeit auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise sogar geschimpft wurde, die Bundeswehr sei ja gar nicht zu sehen. Dabei war es in der Anfangsphase schlicht so gewesen, dass die Bundeswehr ihre Hilfe angeboten hatte, die regionalen Behörden sie aber im Zuständigkeits-Wirrwarr zunächst nicht abriefen. Das besserte sich dann schnell. Und wieder einmal lernte die Bevölkerung ihre Truppe schätzen.

So wie 2013 in Sachsen-Anhalt, als Oberst Körbi die Schiffe versenken ließ. Damals hatte er auch noch eine Idee, wie mit dem Spektakel später umzugehen sei: Man solle die versenkten Schuten einfach nach dem Deichumbau liegen lassen, als Denk- und Mahnmal. Einmal abkärchern, "Plakette dran, fertig", sagt Körbi. Und heute? Drei Sommer später wird am Deich in Fischbeck immer noch gebaut. Doch die Arbeit der Bundeswehr im Inland ist hier auch ohne Denkmal in guter Erinnerung.

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