Bundeswehr:Die Bundeswehr sucht IT-Spezialisten für den Krieg im Cyberspace

Bundeswehr-Übung 'United Endeavour'

Schlagkraft am Computer: Soldaten einer multinationalen Truppe am Truppenübungsplatz Stetten (Baden-Württemberg).

(Foto: Felix Kästle/dpa)
  • Die Bundeswehr ducht IT-Spezialisten.
  • Sie versucht sich für eine der größten Sicherheitsbedrohungen der Zukunft zu wappnen.
  • Beim Anwerben von Cyberexperten begibt sie sich in Konkurrenz zur freien Wirtschaft.
  • Oft ist von Verteidigung, selten aber von Cyberangriffen die Rede.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Die Botschaft ist derzeit kaum zu übersehen. Knapp 18 000 Plakatflächen sind gebucht, darüber hinaus sollen Anzeigen in Zeitungen, Magazinen und auf Netzseiten geeignete Bewerber ansprechen. "Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt", so lautet ein Slogan der Kampagne, die dieser Tage ins Auge fällt, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt. Darunter steht, deutlich kleiner: "Mach, was wirklich zählt". Außerdem finden sich auf dem Plakat das Logo der Bundeswehr und die Formulierung "Projekt Digitale Kräfte". Aber was steckt dahinter?

Dahinter steckt der Versuch der Bundeswehr, sich für eine der größten Sicherheitsbedrohungen der Zukunft, aber auch schon der Gegenwart zu wappnen. Im vergangenen Jahr hat die Bundeswehr in ihren IT-Systemen nach eigenen Angaben etwa 7200 Schadprogramme erkannt und beseitigt und an ihren zentralen Internetknoten etwa 71 Millionen "unberechtigte oder schadhafte Zugriffsversuche" erkannt, so das Verteidigungsministerium. Etwa 8,5 Millionen davon habe man der Gefahrenstufe "hoch" zugeordnet. Und die Gefahr durch Cyber-Angriffe geht weit über die direkte Bedrohung der Streitkräfte hinaus - sie können sich gegen private wie öffentliche Infrastruktur richten, gegen Unternehmen wie Krankenhäuser oder die Energieversorgung.

Vor diesem Hintergrund setzte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Spätsommer 2015 einen Aufbaustab "Cyber" ein, um die Bundeswehr für die Herausforderungen der Cyber-Kriegsführung umzubauen. Geplant war, die in der Truppe verteilten Cyber-Kompetenzen zu bündeln, in Rede stand ein eigener militärischer Organisationsbereich, gleichgestellt etwa dem Heer, der Luftwaffe oder dem Sanitätsdienst. Nun werden die Pläne konkreter. Noch im April soll der Aufbaustab seinen Abschlussbericht vorlegen.

Die Bundeswehr begibt sich in Konkurrenz zur freien Wirtschaft

Nach Angaben aus Ministeriumskreisen soll danach im Verteidigungsministerium eine eigene Abteilung "Cyber / IT" eingerichtet werden. Das Ministerium wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern und verwies darauf, dass der Planungsprozess nicht abgeschlossen sei und Entscheidungen im Laufe des Monats fallen sollten.

Klar ist jedenfalls, dass es bei dem Projekt nicht darum geht, eine komplett neue Truppe aus dem Boden zu stampfen. Stattdessen betonte das Ministerium von Beginn an, dass man die quer durch die Bundeswehr verteilten Kompetenzen zentralisieren wolle. Derzeit gibt es etwa 21 000 IT-Dienstposten in der Bundeswehr, von denen gut 13 000 durch den Umbau gebündelt werden dürften. Mit ihrer groß angelegten Kampagne wirbt die Bundeswehr derzeit um Fachleute für etwa 1500 offene Stellen, davon 800 als "IT-Soldat" und mehr als 700 militärische oder zivile Stellen als IT-Administrator - womit sie sich in Konkurrenz zur freien Wirtschaft begibt, wo die Experten ebenfalls begehrt sind und deutlich mehr verdienen können.

Derzeit gibt es an den Bundeswehr-Universitäten in Hamburg und München sieben IT-Studiengänge. Ein Studiengang "Cybersicherheit" ist in Planung. Einen Wachstumsschub über eine dreistellige Anzahl von Stellen hinaus aber dürfte der Cyber-Sektor durch die Neuorganisation kaum bekommen. Wie gesagt, es geht erst einmal darum, das Vorhandene zu bündeln.

Die Digital-Kompetenzen in der Bundeswehr seien zersplittert

Entsprechend gab es in der Truppe auch Kritik an dem Vorhaben. Warum, so fragte mancher, könne man die Cyber-und IT-Kompetenzen nicht bei der Streitkräftebasis belassen - jenem Organisationsbereich, in dem derzeit viele dieser Fähigkeiten angesiedelt sind? Mit der Bündelung, monierten die Kritiker, gehe es von der Leyen vor allem darum, das Thema nach außen darstellen und in ihrem Sinn verkaufen zu können. Aus dem Ministerium wiederum ist zu hören, dass sich, was die Cyber-Fähigkeiten angeht, über die Jahre eine regelrechte Zersplitterung in der Truppe entwickelt habe.

"Die Bundeswehr hat bereits gute Fähigkeiten im Cyber-Raum und in der Informationstechnologie (IT) - diese sind aber organisatorisch verstreut", hieß es in von der Leyens Tagesbefehl im September, mit dem die Arbeit des Aufbaustabes begann. "Diese Fähigkeiten müssen wir zusammenführen und stärken." Die Bundeswehr sei "im Cyber-Raum auf mindestens zwei Arten" betroffen: "Erstens ist der Cyber-Raum bereits heute ein fester Begleiter konventioneller Operationsführung und stellt somit eine eigene Dimension dar - wie bislang Land, Luft, See und Weltraum." Zweitens sei die Truppe eine vernetzte, "zunehmend digitalisierte Großorganisation", die sich schützen müsse.

Von Cyber-Offensiven ist selten die Rede

Von Schutz ist häufig die Rede, wenn es um die Cyber-Kompetenzen der Bundeswehr geht. Deutlich weniger ausführlich thematisiert von der Leyen öffentlich die Frage der Offensiv-Fähigkeiten, also die Möglichkeit, selbst einen Gegner anzugreifen und zu attackieren. Die Debatte darüber läuft bereits seit einiger Zeit.

Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatten Spiegel Online und das Portal Netzpolitik.org über die "Strategische Leitlinie Cyber-Verteidigung" berichtet, die von der Leyen vor einem Jahr gebilligt hatte und die den Beginn des Umbauprozesses markierte. In dem Papier hieß es: "Offensive Cyber-Fähigkeiten der Bundeswehr haben grundsätzlich das Potenzial, das Wirkspektrum der Bundeswehr in multinationalen Einsätzen signifikant zu erweitern."

Denkbar, so die Leitlinie, seien "zielgerichtete und koordinierte Maßnahmen zur Beeinträchtigung von fremden Informations- und Kommunikationssystemen sowie der darin verarbeiteten Informationen".

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