Der Drohnen-Test auf Einladung des Amts für Heeresentwicklung der Bundeswehr ist eigentlich Geheimsache, aber nun ist einiges durchgesickert. So schrieb die Tageszeitung Financial Times: „Drohne eines von Peter Thiel unterstützten Start-ups stürzt bei Tests der Streitkräfte ab und verbrennt.“ Die Geschichte hat einigen Ärger ausgelöst und zeigt, wie bei der Vergabe von Drohnen-Aufträgen in dreistelliger Millionenhöhe gerungen wird.
Doch der Reihe nach: Die Bundeswehr will im Eilverfahren die großen Versäumnisse bei ihrer Ausstattung mit Drohnen aufholen. Jahrelang war das Thema politisch umstritten, primär die SPD blockierte den Kauf von Kampfdrohnen in der vorherigen Koalition mit der Union unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Jetzt ist die Rede davon, dass die Truppe etwa 12 000 sogenannte bewaffnete Kamikaze-Drohnen für bis zu 900 Millionen Euro anschaffen soll.
Mehrere neue Anbieter drängen auf den lukrativen Markt. Darunter sind die deutschen Unternehmen Helsing und Stark – mit denen Verträge zum Testen ihrer Produkte geschlossen wurden. Sie waren bei dem Test am Bundeswehrstandort im niedersächsischen Munster dabei. Bei Stark mit Sitz in Berlin ist einer der Investoren Peter Thiel, rechtskonservativer US-Milliardär deutscher Herkunft und Unterstützer von Präsident Donald Trump.
Ein Lenkflugkörper fällt in einen Wald
Die Drohnen waren nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bei den Tests ohne scharfe Munition unterwegs, es ging um Zielgenauigkeit, das Bewerten der Software und die Einweisung von künftigen Bedienern der Bundeswehr. Laut einem Bericht der Zeitung Bild soll eine Drohne von Stark ihr Ziel mehrfach verfehlt haben. Eine Drohne sei in ein Waldstück abgestürzt. Laut Financial Times habe es auch bei Tests mit dem britischen Militär Probleme gegeben.
In dem Bild-Bericht zu den Tests kommt hingegen Helsing sehr gut weg. Seit August ist der frühere Bild-Chefredakteur Johannes Boie Marketing- und Kommunikationschef des aufstrebenden Unternehmens aus Bayern. Zur Vorstellung dessen neuesten Projekts, des unbemannten Kampfjets CA-1 Europa, war auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Firmensitz Tussenhausen im Unterallgäu.
Das Problem mit dem Drohnen-Test: Weil alles eigentlich als Verschlusssache eingestuft ist, können die Beteiligten nicht offen sprechen. Allerdings soll es bei dem Absturz auch eine fehlerhafte Lageeinschätzung des bedienenden Soldaten gegeben haben. Stark wirbt zudem damit, dass seine Kampfdrohne Virtus bereits in der Ukraine erfolgreich im Einsatz sei.
Ein deutscher Rüstungsriese steht auch in der engeren Auswahl
Neben den beiden Unternehmen ist nach SZ-Informationen nun als drittes der auf diesem Feld ganz neu tätige Rheinmetall-Konzern in der engeren Bundeswehr-Auswahl. Ob es am Ende den Zuschlag für ein Unternehmen gibt oder der Auftrag gedrittelt wird, ist bislang nicht entschieden. Rheinmetall war am Test nicht beteiligt. Jetzt gibt es Wettbewerber, die unterstellen, dass das Unternehmen bisher auch gar nicht über wettbewerbsfähige Drohnen verfüge. Das Unternehmen weist das zurück und verweist auf separate Tests.
Während die Starts-ups mit ihren Fähigkeiten bei Flugobjekt, Software und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz punkten können, kann Rheinmetall als Waffenhersteller auf die sehr lange Erfahrung bei der Bewaffnung, dem Gefechtskopf, verweisen. Die Mitbewerber sind hier komplett neu im Geschäft.
Vorerst geht es nur um die Erprobung mit einer begrenzten Zahl an Kamikaze-Drohnen, die im Fachjargon als Loitering Munition firmieren. Das lässt sich mit „lauernde Munition“ übersetzen, da die Objekte länger über möglichen Zielen kreisen können und sich dann hinunterstürzen. Durch den Krieg in der Ukraine haben sich die Entwicklung und der Einsatz rasant beschleunigt. Die Bundeswehr will hier für viel Geld eine Fähigkeitslücke schließen, wenngleich das im Bundestag und in der Bevölkerung nicht unumstritten ist.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betont, dass noch keine finale Entscheidung gefallen sei. Zudem muss der Haushaltsausschuss des Bundestags jedes Beschaffungsprogramm, das mehr als 25 Millionen Euro kostet, genehmigen. Ein Sprecher des Ministeriums erläutert auf SZ-Anfrage: „Ich kann bestätigen, dass Verträge für den Kauf von begrenzten Mengen von Loitering Munition mit dem Zwecke einer Zertifizierung/Qualifizierung mit mittlerweile drei Herstellern abgeschlossen wurden.“ Zur Wahrung der militärischen Sicherheit, der Vertraulichkeit von Geschäftsbeziehungen und zum Schutz der Sicherheitsinteressen könne man aber zu den beteiligten Unternehmen, den Vertragsinhalten und dem Stand dieses Zertifizierungs- und gegebenenfalls folgenden Beschaffungsverfahrens keine Auskunft geben.
Die Opposition warnt vor explodierenden Kosten
Der Grünen-Haushalts- und -Verteidigungspolitiker Sebastian Schäfer warnt Pistorius vor einem Blankoscheck. „Es steht außer Frage, dass die Bundeswehr schnell im Drohnenbereich handlungsfähig werden muss. Die Ausnahme von der Schuldenbremse entbindet Minister Pistorius und sein Haus aber nicht vom sorgfältigen Umgang mit Steuergeld“, sagt Schäfer der SZ.
„Die uns in der Sache bisher vorliegenden Berichte lassen aber das Gegenteil befürchten. Das würde sich einreihen in eine unrühmliche Reihe von Projekten, bei denen die Kosten regelrecht explodieren: ob Digitalfunk oder neue Fregatten – der Minister muss sein Augenmerk endlich auf funktionierende Projektsteuerung richten“, kritisiert Schäfer: „Da helfen markige Worte allein leider nicht.“
Im Verteidigungsministerium sind sie unglücklich über den medial entstandenen Eindruck, es habe bereits hohe Millionenaufträge vergeben für Drohnen, die vielleicht nichts taugen. Daher ist es dem Ministerium wichtig, zu betonen, dass es eben erst nach einer Zertifizierung und Qualifizierung über eine größere Beschaffung entscheiden werde. Dann folge natürlich „die gewohnte parlamentarische Beteiligung für Beschaffungsprojekte jenseits der 25-Millionen-Euro-Grenze“.
Ohnehin muss die Bundeswehr die Drohnen erst noch mit scharfer Munition testen, normalerweise findet das in der Wehrtechnischen Dienststelle 91 in Meppen statt. Aber zugleich ändert die Truppe in diesem Bereich ihre bisherige Beschaffungspraxis, was den Zeit- und Entscheidungsdruck erhöht. „Es ist keine langwierige Prüfung von Kleinstserien geplant. Die Soldatinnen und Soldaten der kämpfenden Truppe sollen frühzeitig eine große Anzahl erhalten, die Systeme erproben, in ihre Taktiken einbauen und dann Rückmeldung geben“, betont die Bundeswehr. Anhand der Ergebnisse entscheide die Bundeswehrführung dann, ob sie eine noch weit größere Menge der Lenkwaffen beschaffen lässt. Oder aber, ob sie weitere Hersteller in Erwägung zieht.

