Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Das Dilemma

Deutsche Soldaten nach Litau-en? Das ist ein heikles Ersuch-en.

Von Joachim Käppner

Als Lose-lose-Situation bezeichnet man neudeutsch Lagen, in denen jede Entscheidung Schwächen und Mängel hat. So ergeht es der Bundesrepublik mit dem Wunsch der Nato und vor allem der kleinen Partner in Osteuropa, die Deutschen sollten sich dort viel stärker an der Abschreckung gegen Russland beteiligen. Würde sich die Bundesregierung verweigern, wäre das unsolidarisch und ein Affront gegenüber den baltischen Staaten. Dort ist man verständlicherweise besorgt über den neuen Nationalismus des großen Nachbarn, die aggressiven Töne Präsident Putins und die Aufrüstung der russischen Streitkräfte auf ein Niveau, das es seit dem Kalten Krieg nicht mehr gab. Wenn, wie es aussieht, die Bundeswehr aber in Litauen sogar eine dauerhafte Führungsrolle einnehmen soll, ist das eine Provokation Russlands; jedenfalls wird man es dort so empfinden.

Es ist eine Gratwanderung: Festigkeit und Solidarität hier, Deeskalation dort. Bisher rotieren die Nato-Verbände im Baltikum, weil das Bündnis mit Russland vertraglich vereinbart hat, keine "substanziellen Streitkräfte" in jenen Staaten fest zu stationieren, die einst zum Warschauer Pakt gehörten. Das Mindeste, was Deutschland nun trotz seines Dilemmas tun kann, ist es, an diesem Vertrag nicht rütteln zu lassen, auch nicht von ungeduldigen Partnern. In diesem Konflikt helfen nur geduldige Diplomatie und das Gespräch mit Moskau - so schwierig es oft sein mag.

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Quelle:
SZ vom 30.04.2016
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