Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:"Den Frieden zu schaffen ist nicht kostenlos, das hat einen moralischen Preis"

  • Erstmals seit sechs Jahren werden Bundeswehr-Rekruten vor dem Reichstagsgebäude öffentlich vereidigt.
  • Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer mahnt die Verpflichtung von Staat und Bundeswehr auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde an.
  • Bundestagspräsident Schäuble erinnert an die persönlichen Herausforderungen für jeden Einzelnen durch den Dienst an der Waffe.

Von Thomas Jordan, Berlin

Gerade hat er noch zackig "Zugleich!" gerufen, die Losung seiner Panzergrenadiere, da zeigt sich auf einmal ein Lächeln auf den Lippen von Pascal Kischnick. Dann geht alles ganz schnell: Aus dem Lächeln wird ein Lachen, dann umringen ihn seine Eltern und Verwandten, Smartphones werden gezückt, Fotos gemacht. "Erleichterung" empfinde er, sagt der 17-Jährige aus Mecklenburg-Vorpommern, als alles vorbei ist. Kürschnick ist einer von beinahe 400 Rekruten, die am Dienstag auf dem Platz vor dem Reichstagsgebäude ihr Gelöbnis abgelegt haben.

Es herrschte eine ernste, etwas angespannte Atmosphäre bei der ersten öffentlichen Vereidigung der Rekruten an diesem Ort seit sechs Jahren. Eine angemeldete Gegendemonstration, an der laut Berliner Polizei etwa hundert Menschen teilnahmen, fand am Holocaust-Mahnmal statt. Zu weit weg, als dass man sie von der Ehrentribüne, mit den 1750 geladenen Gästen aus Politik, Kirche und Gesellschaft hätte hören können. Und hätte ein Protestruf in das weiträumig von 900 Polizisten und 50 Feldjägern abgeriegelte Areal herübergereicht, er wäre spätestens beim Einmarsch der Ehrenformation zu den Klängen von "Preußens Gloria" untergegangen.

Bei Temperaturen nahe null Grad harrten die angehenden Soldaten eineinhalb Stunden in Formation aus. In einer Ansprache versicherte ihnen Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ihre Unterstützung. "Die Bundeswehr ist ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft", sagte Kramp-Karrenbauer. Für die besonderen Herausforderungen ihrer Aufgabe "verdienen Sie die besten Rahmenbedingungen." Mit auf den Weg gab die Verteidigungsministerin den Rekruten einen Spruch aus den Anfangszeiten der Bundeswehr, die an diesem Tag ihren 64. Geburtstag feiert: "Nur, was lebenswert ist, ist es auch wert, zu verteidigen" sagte Kramp-Karrenbauer und erinnerte an die Verpflichtung von Staat und Bundeswehr auf die Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde.

Schäuble: "Nicht wegducken, wo es eines deutschen Beitrags bedarf"

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) der als Ehrengast die Gelöbnisansprache hielt, schlug einen Bogen zur deutschen Wiedervereinigung. Schäuble nannte die Bundeswehr als Teil der Nato eine "Armee der Einheit", die kein "Staat im Staat" sondern in ihrer Einbettung in die zivile, rechtsstaatliche Demokratie "ein Vorbild für die gesamte Gesellschaft" sei. Er erinnerte die Soldaten zugleich an die persönlichen Herausforderungen, vor die der Dienst an der Waffe jeden Einzelnen stelle: "Den Frieden zu schaffen ist nicht kostenlos, das hat einen moralischen Preis." sagte Schäuble.

In einer globalisierten Welt, in der auch entfernte Konflikte weitreichende Auswirkungen auf Deutschland hätten, dürfe man sich aber "nicht wegducken, wo es eines deutschen Beitrags bedarf". Womöglich hätten die Angehörigen der Rekruten an diesem Tag deswegen gemischte Gefühle, sagte Schäuble dann noch.

Bei Pascal Kischnick und seinen Angehörigen überwiegen aber erstmal die positiven Gefühle. Der Rekrut sieht gelöst aus, nachdem er gemäß der Eidesformel gelobt hat, "der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4679040
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/saul
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.