Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Bedingt abflugbereit

Die Luftwaffe braucht dringend neue Transporthubschrauber. Ihre alten Maschinen müssen immer öfter auf freiem Feld notlanden.

Von Mike Szymanski, Berlin

Bevor die Soldaten der Luftwaffe mit ihrer CH-53 starten, kontrollieren sie den Hubschrauber nicht nur einmal ganz gründlich, sondern gleich zwei oder besser drei Mal. Die ersten Maschinen dieses Typs wurden 1972 bei der Bundeswehr eingeführt. Oldtimer ist eine eher liebevolle Bezeichnung für die Transporthubschrauber, von denen die Bundeswehr noch 71 besitzt. So ganz sicher kann sich niemand sein, ob die Besatzung damit auch genau dort ankommt, wo sie hinwill. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte jedenfalls eine etwas bizarre Sammlung an Bildern im Internet Aufmerksamkeit erlangt: Die Bundeswehr hatte im Kurznachrichtendienst Twitter öffentlich gemacht, wenn wieder eine CH-53-Maschine nach technischen Problemen außerplanmäßig zu "Sicherheitslandungen" ansetzen musste - auf Feldern, neben Bundesstraßen - weit entfernt vom Fliegerhorst.

Das war dann zwar bisweilen spektakulär anzusehen für die Bewohner nahe liegender Ortschaften; vor allem, wenn später noch eine zweite CH-53 anrückte, mit Ersatzteilen und Technikern. Aber mit jedem weiteren Vorfall wurde auch die Misere deutlicher. Dieser alte Hubschrauber, der 36 Soldaten transportieren kann, hält nicht mehr lange durch und Nachfolger wird die Bundeswehr frühestens 2024 bekommen. Trotz zusätzlicher Milliarden für den Verteidigungsetat in den vergangenen fünf Jahren kommt die Bundeswehr bei der Einsatzbereitschaft ihrer Waffensysteme nicht wirklich vom Fleck. Der Transporthubschrauber CH-53 ist dafür ein besonders eindringliches Beispiel. Er gehört zu den in die Jahre gekommenen Waffensystemen, von denen mitunter gerade einmal noch ein Viertel des Gerätes einsatzbereit ist.

Über Twitter postete die Luftwaffe die spektakulärsten Notlandungen

Auf Anfrage des Grünen-Politikers Tobias Lindner hat das Verteidigungsministerium nun aufgeführt, wie häufig die Maschinen mittlerweile aus Sicherheitsgründen außerplanmäßig landen mussten. Zwischen Juni 2019 und Juni 2020 war das 24 Mal der Fall, davon zwei Mal im Auslandseinsatz. "Die Vielzahl der Zwischenfälle in den letzten Jahren macht schon deutlich, dass ein neuer schwerer Transporthubschrauber alles andere als ein Luxus ist", sagt Lindner. Allein in zehn Fällen schafften es Maschinen nicht bis zu regulären Landeplätzen und gingen im Gelände runter. Oftmals meldete das System Metallspäne im Getriebe, dann zwangen Hydraulikfehler zum Stopp, mal Fehlfunktionen des Drehzahlgebers oder der Anzeige über den Treibstoffvorrat. Nur einmal lag es am Piloten, dem schlecht wurde.

Die alte Technik ist anfällig für Störungen. Manche Ersatzteile werden nicht mehr hergestellt. Dabei braucht die Bundeswehr schwere Transporthubschrauber. Sie hat der Nato zugesagt, diese für die Einsätze vorzuhalten. Einige wenige Maschinen sind in Afghanistan im Einsatz. Als nützlich erwiesen sie sich auch, wenn hierzulande Wälder in Brand gerieten. Die Maschinen können Löschwasser transportieren und über der Brandstelle abwerfen. Jahrelang wurde die Anschaffung neuer Hubschrauber hinausgezögert, 2018 dann aber wurden im Haushalt 5,6 Milliarden Euro dafür hinterlegt. Zur Auswahl stehen heute zwei Modelle: die CH-47 von Boeing und die CH53-K von Sikorsky, beides US-amerikanische Anbieter, die dabei sind, ihre Angebote zu präzisieren. Anders als bei anderen großen Rüstungsvorhaben verzichtete die Bundeswehr darauf, einen solchen Hubschrauber komplett neu entwickeln zu lassen. Sie wagt in diesem Fall keine Experimente.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2020
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