Bundeswehr:Armee ohne Lobby
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Die Deutschen sehen ihre Soldaten lieber retten als töten. Das ist nichts, wofür sich dieses Land schämen müsste. Das Problem ist die Unklarheit der Politik darüber, was sie eigentlich will mit der Bundeswehr.
Kommentar von Nico Fried, Berlin
Die größte Wirkung in ihrer noch kurzen Laufbahn als Verteidigungsministerin hat Ursula von der Leyen nicht mit einem Befehl erzielt, sondern mit einer Bitte. 2000 Soldaten und Zivilisten haben sich gemeldet, um freiwillig Hilfe in den Ebola-Regionen Afrikas zu leisten.
Die Angehörigen der Bundeswehr haben ihre Ministerin vor der ursprünglich geplanten Peinlichkeit bewahrt, nur Ausrüstung zu schicken, aber niemanden, der damit umgehen kann. Auch wenn von der Leyen nun keine Mühen scheuen wird, sich für die Idee zu rühmen, ist die Resonanz auf ihren Appell vor allem ein Prestigegewinn für die Bundeswehr: Die Bürger sehen ihre Soldaten verständlicherweise lieber retten als töten.
Nur eine Bundeswehr, die Gutes tut, ist eine gute Bundeswehr
In diesem Befund steckt viel über das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Militär: Nur eine Bundeswehr, die Gutes tut, ist wirklich eine gute Bundeswehr. Ganz unmittelbar lässt sich das stets erleben, wenn Elbe oder Donau über die Ufer steigen und Soldaten Sandsäcke schleppen. Dann schätzen die Deutschen ihr Militär.
Das Engagement in Afghanistan wurde zu Hause immerhin geduldet, solange der Eindruck vorhielt, die Bundeswehr sorge nur dafür, dass Brunnen gebohrt würden und Mädchen in die Schule gehen. Als das Töten und Sterben schlimmer wurde, schwand die Akzeptanz.
Diese Ambivalenz der Deutschen gegenüber dem Militär ist nichts, wofür sich dieses Land mit seiner Geschichte zu schämen bräuchte. Das Problem entsteht erst dadurch, dass die Politik seit Jahren diese Ambivalenz als Unsicherheit widerspiegelt.
Seit die Bundeswehr wieder ein Instrument der Außenpolitik geworden ist, also seit den letzten Jahren des Kanzlers Helmut Kohl, schwanken die Regierungen zwischen Mitmachen und Abseitsstehen. Diese Unsicherheit schafft Verunsicherung. Deshalb führt man in Deutschland über die Verwendung der Bundeswehr dieselben Debatten wie vor 15 Jahren. Und über ihre Ausrüstung auch.
Beispiel eins: Im Kampf gegen die Terroristen des IS hilft Deutschland nach langer Diskussion mit Waffen, beteiligt sich aber nicht - ohne jede Diskussion - an Kampfeinsätzen. Das eine war der Preis des anderen: Das Versprechen der Regierung, sich nicht an Kampfeinsätzen zu beteiligen, hat die Akzeptanz von Waffenlieferungen erst ermöglicht.
Obwohl die Regierung also inzwischen sogar die Angriffe in Syrien für vereinbar mit dem Völkerrecht hält, verzichtet sie auf ein zusätzliches Engagement. Sie hat sich selbst gebunden. Sie könnte nicht, selbst wenn sie wollte. Also fliegen Amerikaner, Franzosen, Briten, Holländer und Belgier.
Beispiel zwei: Als deutsche Soldaten Anfang dieses Jahrtausends in Afghanistan stationiert waren und außerdem in Usbekistan, in Kuwait, am Horn von Afrika, in Kosovo, in Bosnien und in Mazedonien, da war die Bundeswehr bereits überfordert und unterfinanziert, waren die Soldaten schlecht ausgestattet und die Waffensysteme antiquiert. Unzählige Reformen später steht die Bundeswehr trotz weniger Auslandseinsätze wieder - oder immer noch? - genau so da: Hubschrauber können nicht fliegen, Transportfahrzeugen fehlen die Ersatzteile.
Die Politik weiß nicht, was sie eigentlich will mit den Soldaten
Es gibt da einen Zusammenhang: Die Unklarheit der Politik, was sie eigentlich will mit der Bundeswehr, verhindert auch, dass die Bundeswehr Klarheit darüber hat, was sie können muss. Von einer Armee zur Landesverteidigung sollte sie zu einer Interventionsarmee umgebaut werden.
Jetzt plötzlich gäbe es einen vertretbaren Anlass zur Intervention, aber die Bundeswehr ist nicht dabei. Dafür machen sich die ersten Strategen schon wieder Gedanken darüber, ob mit dem Ende der Wehrpflicht nicht die Landesverteidigung vernachlässigt wurde.
Das Missverhältnis zwischen politischem Anspruch und militärischer Wirklichkeit tritt immer dann zutage, wenn das Weltgeschehen schneller ist als die deutschen Debatten. So war es 1999 und 2001, so ist es 2014. Dem kann die Politik nur vorbeugen, wenn sie klarstellt, was sie mit der Bundeswehr will. Und nur dann stört es nicht mehr bloß Experten, wenn die Ausrüstung veraltet und dezimiert ist. Die Bundeswehr braucht eine politische und gesellschaftliche Lobby.
Jahrelang waren die Verzögerungen beim Transportflugzeug A400M halt ein schlechter Witz. Jetzt sind sie plötzlich Anlass zur Klage. Ja, es ist ein zynischer Gedanke, aber einen Effekt würde es haben, wenn die Transportflugzeuge mit den deutschen Helfern für die Ebola-Gebiete sich wegen derselben Missstände verzögerten wie derzeit der Transport von Waffen und Ausbildern in den Irak. Es würde demonstrieren, dass fehlender Einsatz für die unpopulären Aufgaben der Bundeswehr auch die Hilfseinsätze der anderen, der guten Bundeswehr gefährdet.