Bundeswehr-Affäre:Der "sehr schneidige" Herr Guttenberg

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Jungs Rücktritt ist der Opposition nicht genug. Sie will mögliche weitere Vertuschungen aufdecken. Vor allem an Verteidigungsminister Guttenberg hat sie noch viele Fragen.

Nach dem Rücktritt von Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) will die schwarz-gelbe Koalition rasch wieder Tritt fassen - doch die Opposition nimmt die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums nun genauer unter die Lupe.

Die Opposition findet, dass Guttenberg bei seiner Bewertung des Bombardements "sehr schneidig" gewesen sei. (Foto: Foto: ddp)

"Die Menschen erwarten von uns zu Recht Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit", betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU), am Samstag im Deutschlandradio Kultur. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht dagegen den Start der neuen Regierung schwer belastet: "Die ersten Wochen von Schwarz-Gelb sind eine einzige Katastrophe", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Die Grünen verlangen einen Wechsel der Einsatzstrategie der Bundeswehr.

"Die offenen Fragen sind alle nicht beantwortet"

Bei der Aufarbeitung der Informationspolitik des Verteidigungsministeriums wird es vor allem darum gehen, wer in der Regierung von den internen Informationen über die zivilen Opfer bei dem von der Bundeswehr angeordneten Luftschlag in Afghanistan Kenntnis hatte und wann dies der Fall war.

Anfang September gab es dabei mehr als 140 Tote und Verletzte. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hält einen Untersuchungsausschuss zu dem Thema zwar nicht mehr für nötig. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) habe eine umfassende Aufklärung zugesagt, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Kauder will sich aber einer Forderung der Opposition nach einem solchen Gremium nicht in den Weg stellen.

Ähnliche Überlegungen gibt es nach dpa-Informationen auch in der Führung der FDP-Bundestagsfraktion.

Kauder betonte: "Wir wissen jetzt: Es war schon sehr früh bekannt, dass es zivile Opfer durch den Beschuss der beiden Lastwagen nahe Kundus gab. Wieso der entsprechende Bericht geheim gehalten wurde, muss der Bundestag erfahren."

SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels sagte der Mitteldeutschen Zeitung: "Es bleibt dabei. Die offenen Fragen sind alle nicht beantwortet." Auch an Guttenberg ergäben sich Fragen. Dieser sei bei seiner Bewertung des Bombardements "sehr schneidig" gewesen. "Möglicherweise muss er den ersten Fehler einräumen."

Guttenberg hatte den Luftangriff zunächst "militärisch angemessen" genannt, inzwischen aber erklärt, dass er eine neue Bewertung vornehmen werde, weil ihm nach seinem Amtsantritt zehn Berichte zu dem Angriff vorenthalten worden seien.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Guttenberg auf, den Luftangriff, der von einem Oberst der Bundeswehr angefordert worden war, neu zu bewerten. "Nur auf dieser Grundlage lässt sich eine neue Strategie für Afghanistan entwickeln, die auf Vermeidung ziviler Opfer abzielt", sagte er der Berliner Zeitung.

Der in Hannover erscheinenden Neuen Presse sagte Trittin: "Das politische Manöver in Berlin, das nach dem Bombenangriff durchgeführt wurde, ist offensichtlich: Mit der Bundestagswahl vor Augen hat man versucht, die Realität zu leugnen." Es müsse geklärt werden, "ob es vom damaligen Minister oder aus dem Kanzleramt politische Vorgaben zur Vertuschung gab, oder ob vorauseilender Gehorsam bei Militärs und Spitzenbeamten der Grund war", sagte Trittin.

Nur vier Wochen nach der Regierungsbildung hatte Merkel nach dem Rücktritt Jungs am Freitag ihr Kabinett umbilden müssen. An die Spitze des Arbeitsministeriums rückt die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Neue Familienministerin wird die erst 32 Jahre alte CDU-Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler aus Wiesbaden. Beide erhalten ihre Ernennungsurkunden am Montag. Kristina Köhler kündigte im ZDF Kontinuität zu von der Leyen an: "Ich will ihre erfolgreiche Familienpolitik fortsetzen." Die von ihr angestoßene Kinderbetreuung müsse nun vollends in die Tat umgesetzt werden.

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