Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:4500 Vorträge im Klassenzimmer

Von Bernd Kramer

Hamburg - Seit dem Ende der Wehrpflicht muss die Bundeswehr kreativ werden, um junge Menschen für die Truppe zu begeistern. Sie lädt hunderte Jugendliche in ihre Sportschulen zu Wettkämpfen namens "Bundeswehr Olympix" ein, bei denen die Jungen und Mädchen Wasser- und Kletterhindernisse überqueren müssen - als Preis winkt zum Beispiel ein Segeltörn mit der Marine. Sie startete bei Youtube die Serie "Die Rekruten", die zeitweise überraschend gut ankam. Und sie schickt regelmäßig ihre Leute in die Schulen.

Neue Zahlen der Bundesregierung zeigen, wie häufig Karriereberater des Militärs in Deutschlands Klassenzimmern unterwegs waren. 4551 Vorträge hielten sie demnach im Jahr 2019 in Bildungseinrichtungen, um für eine Laufbahn bei der Truppe zu werben, vor allem an Gymnasien, Real- und Berufsschulen. Mehr als 100 000 Schülerinnen und Schüler wurden so erreicht. Weitere 343 Mal besuchten Schulklassen Kasernen und andere Bundeswehrstandorte, mehr als 16 000 junge Menschen kamen auf diese Weise mit der Truppe in Kontakt. Das geht aus der Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Ulla Jelpke von den Linken kritisiert die Nachwuchswerbung an Schulen scharf. "Wenn Militärs im Unterricht Reklame in eigener Sache machen, ist das ein Missbrauch der Schulpflicht", sagt sie.

Im Vergleich zum Vorjahr sind die Auftritte vor Klassen und die Schulexkursionen zur Truppe allerdings leicht zurückgegangen. Das Verteidigungsministerium erklärt das unter anderem durch "den Wechsel von Schulvorträgen zu allgemeinen Informationsveranstaltungen an Schulen" - was Fragen aufwirft: Karrierewerbung der Bundeswehr und Vorträge etwa zur Sicherheitspolitik müssen an den Schulen strikt getrennt werden. Die Jugendoffiziere, die zum Beispiel im Politikunterricht über Auslandseinsätze diskutieren, dürfen in ihrer Rolle keine Werbung für die Bundeswehr als Arbeitgeber machen. Das täten sie auch nicht, so das Verteidigungsministerium: "Die Jugendoffiziere halten die Trennung ihrer Fachaufgabe zur Karriereberatung immer strikt ein."

Außerhalb der Schule bemüht sich die Bundeswehr dafür inzwischen jedenfalls umso stärker um künftige Soldatinnen und Soldaten. Eine weitere Anfrage aus dem Büro von Ulla Jelpke zeigt: 2019 war die Truppe 2620 mal auf Job- und Personalmessen präsent - und damit laut der Linken-Abgeordneten so oft wie noch nie seit Beginn der Erfassung im Jahr 2006.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2020
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