Bundesverwaltungsgericht:Die Richter halten sich raus

Startbereite Drohne auf US-Stützpunkt Bagram in Afghanistan

Eine Drohne auf dem US-Stützpunkt Bagram, Afghanistan. Drohneneinsätze werden auch von der US-Airbase in Ramstein aus unterstützt.

(Foto: Demetrius Lester/dpa)

Klage abgewiesen: Die Bundesrepublik muss nicht gegen Drohneneinsätze der USA vorgehen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Versuch, die Bundesregierung gerichtlich zum Einschreiten gegen die tödlichen Drohneneinsätze der USA zu verpflichten, ist vorerst gescheitert. Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag in letzter Instanz die Klage eines Anwohners der US-Airbase Ramstein abgewiesen. Der Kläger, ein Friedensaktivist, vertreten von Rechtsanwalt Peter Becker, hatte sich darauf berufen, dass die Airbase beim Einsatz von US-Kampfdrohnen eine zentrale Rolle spiele. Die Bundesregierung stellt sich zwar auf den Standpunkt, dazu gebe es keine gesicherten Erkenntnisse, aber nach zahlreichen Medienberichten dürften kaum noch Zweifel bestehen. Danach sollen Einsätze in Pakistan und in Jemen über eine Relaisstation auf dem US-Militärflugplatz abgewickelt werden - auch wenn die Drohnenpiloten selbst in den USA sitzen.

Für die Klage vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht in Leipzig hat dies freilich keine Rolle gespielt, weil die Richter bereits eine "Klagebefugnis" des Klägers verneint haben. Der Mann hatte geltend gemacht, durch seine Nähe zu Ramstein von möglichen Gegenschlägen von Terroristen bedroht zu sein. Dem Gericht genügte dies nicht, daraus eine persönliche Betroffenheit des Klägers herzuleiten.

Die wäre aber Voraussetzung einer Klage. Letztlich waren es zwei brisante Fragen, die hinter dem Verfahren stehen. Erstens: Sind die Drohneneinsätze der USA mit dem Völkerrecht vereinbar? Grundsätzlich erlaubt das Völkerrecht, dass in bewaffneten Konflikten die Mitglieder organisierter Kampftruppen auch mit Drohnen bekämpft werden dürfen. Selbst zivile Opfer dürfen unter Umständen in Kauf genommen werden - solange die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Die USA, die Drohneneinsätze als zulässige Mittel im weltweiten Kampf gegen den Terror sehen, halten diese Voraussetzungen nach Einschätzung von Menschenrechtsgruppen in vielen Fällen nicht ein. Daraus folgt die zweite Frage: Muss die Bundesregierung einschreiten, wenn völkerrechtswidrige Einsätze von deutschem Boden aus unterstützt werden? Denn auch auf einer US-Airbase gilt nach dem Nato-Truppenstatut letztlich deutsches Recht.

Zur zweiten Frage hat das Bundesverwaltungsgericht immerhin einige Hinweise gegeben. Zwar habe die Bundesregierung eine Pflicht zum Schutz des Lebens, die sich aus dem Grundgesetz ableitet. Auf welche Weise sie diese Pflicht erfülle, sei aber weitgehend ihre Sache: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe die Bundesregierung auf dem Gebiet der Außen- und Verteidigungspolitik einen weiten Entscheidungsspielraum.

Ein Somalier, dessen Vater bei einem US-Drohnenangriff starb, klagt in Köln

In der Praxis heißt dies: Den Verwaltungsgerichten wird bei diesem Thema deutliche Zurückhaltung verordnet. Das ist von Bedeutung für zwei weitere Verfahren, die derzeit vor den unteren Instanzen anhängig sind. Ende April verhandelt das Verwaltungsgericht Köln über die Klage eines Somaliers, der seinen Vater bei einem US-Drohnenangriff verloren hat. Und bereits im Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht Köln über die Klage dreier jemenitischer Staatsangehöriger entschieden, die von Anwälten des "European Center for Constitutional and Human Rights" unterstützt wird. Zwei der Kläger leben in der Region Hadramout, die nach ihren Angaben häufig als Ziel von Drohnenangriffen heimgesucht werde; zwei Familienangehörige seien im Jahr 2012 bei solchen Angriffen ums Leben gekommen.

Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klagen zumindest für zulässig erachtet: Den deutschen Staat treffe grundsätzlich eine Schutzpflicht auch für das Leben ausländischer Staatsangehöriger. Und dass das Leben der Kläger konkret gefährdet sei, daran hatten die Richter wenig Zweifel: "Die Region ist einer der Schwerpunkte der US-amerikanischen Drohneneinsätze", heißt es in dem Urteil. Dass solche Klagen zulässig sind, hat nun auch das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt: Potenzielle Opfer von Drohneneinsätzen könnten sich vor Gericht auf das völkerrechtliche Gewaltverbot berufen.

Im Ergebnis hatte das Kölner Verwaltungsgericht die Klagen aber im Mai 2015 abgewiesen - und zwar unter Hinweis auf den nun auch vom Bundesverwaltungsgericht erwähnten Spielraum der Bundesregierung in außenpolitischen Fragen. Auch wenn es bei solchen Einsätzen zur Tötung von Zivilisten komme, sei das humanitäre Völkerrecht erst dann verletzt, wenn "nicht verhältnismäßige Schäden in der Zivilbevölkerung" in Kauf genommen würden, schrieben die Kölner Richter. Der US-Präsident aber habe in einer Rede im Mai 2013 versichert, dass Drohneneinsätze nur gebilligt würden, wenn zivile Opfer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden würden. Und die Bundesregierung dürfe dieser Beteuerung glauben, argumentierte das Gericht. Wegen ihres Handlungsspielraums und weil der Drohnenkrieg nun mal geheim sei: "Es ist der Bundesregierung dabei von vorneherein in tatsächlicher Hinsicht unmöglich, die US-amerikanische Praxis des Drohnenkriegs im Einzelfall zu überprüfen." Die Berufung der Kläger ist derzeit beim Oberverwaltungsgericht Münster anhängig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: